Drachenreiter
nun?«
Ben schüttelte nur den Kopf. Er griff in seinen Rucksack, um die Wasserflasche herauszuholen und ein paar von den Oliven, die der Professor ihm mitgegeben hatte. Der Beutel war ganz nach unten gerutscht. Beim Suchen griff Ben in etwas Haariges. Erschrocken zog er die Hand zurück.
»Was ist?«, fragte Schwefelfell.
»Ich glaub, da ist 'ne Maus drin«, sagte Ben.
»Eine Maus?« Schwefelfell legte ihren Pilz zur Seite, beugte sich über den Rucksack - und packte blitzschnell zu. Mit einem Ruck zog sie den zappelnden Fliegenbein heraus. »Nun sieh mal einer an!«, rief sie. »Wen haben wir denn da?«
»Fliegenbein!«, rief Ben überrascht. »Wie kommst du denn in den Rucksack? Und, und ...« Verdattert guckte er den kleinen Homunkulus an. »Wieso hast du die ganze Zeit nichts gesagt?«
»Oh, junger Herr! Weil, weil ...«, Fliegenbein versuchte sich aus Schwefelfells Griff zu befreien, aber das Koboldmädchen ließ nicht locker, sosehr der Winzling sich auch wand.
»Ja, da kommst du ins Stottern, was?«, knurrte sie.
»Lass mich los, du pelziges Ungeheuer!«, rief Fliegenbein. »Wie soll ich denn so irgendetwas erklären?«
»Komm, lass ihn los«, sagte Ben. »Du tust ihm noch weh.«
Widerwillig setzte Schwefelfell den Homunkulus in den Sand.
»Danke!«, murmelte Fliegenbein. Beleidigt zupfte er seine Jacke zurecht.
»Also, warum hast du nichts gesagt?«, fragte Ben noch mal. »Warum habe ich nichts gesagt! Wegen ihr natürlich!« Fliegenbein zeigte mit zitterndem Finger auf Schwefelfell. »Ich weiß genau, dass sie mich los sein will. Also hab ich mich im Rucksack versteckt. Und dann«, er zupfte sich an der Nase und warf Schwefelfell einen bösen Blick zu, »dann habe ich nichts gesagt, weil ich Angst hatte, dass sie mich ins Meer wirft, wenn sie mich entdeckt.«
»Keine schlechte Idee!«, brummte Schwefelfell. »Gar keine schlechte Idee.«
»Schwefelfell!« Ben stieß dem Koboldmädchen den Ellbogen in die Seite. Dann wandte er sich mit besorgter Miene dem Homunkulus zu. »Das würde sie nie tun, Fliegenbein. Wirklich nicht. Sie ist eigentlich sehr nett. Sie tut nur immer so, so ...«, er sah Schwefelfell von der Seite an, »so hart, weißt du?«
Aber Fliegenbein schien sich da nicht so sicher zu sein. Er warf Schwefelfell einen misstrauischen Blick zu. Schwefelfell erwiderte ihn mit düsterer Miene.
»Hier.« Ben schob dem Homunkulus ein paar Krümel Fladenbrot hin. »Du hast doch bestimmt Hunger, oder?«
»Untertänigsten Dank, junger Herr, aber ich, ähm«, Fliegenbein räusperte sich verlegen, »ich werde mir gleich einfach ein paar Fliegen fangen.«
»Fliegen?« Ben guckte den kleinen Mann ungläubig an.
Der zuckte verlegen die Schultern.
»Fliegen! Pfui, Netzstieliger Hexenröhrling!«, rief Schwefelfell. »Ja, das passt zu dir, du spinnenbeiniger Milchling!«
»Schwefelfell!«, rief Ben ärgerlich. »Hör jetzt auf! Er hat dir nichts getan, klar? Er hat dich sogar aus diesem Käfig befreit. Hast du das schon vergessen?«
»Ja, ja!« Schwefelfell wandte sich wieder ihren Pilzen zu. »Schon gut, ich versprech, ich werde ihn nicht ins Meer werfen, in Ordnung? Aber jetzt lass uns über die Frage nachdenken, die du dem Tausendauge stellst. Darum hast du mich schließlich geweckt.«
»Okay.« Ben nickte und zog einen zerknickten Zettel aus der Hosentasche. »Ich hab mir schon mal was aufgeschrieben. Pass auf.«
»Moment mal«, unterbrach Schwefelfell ihn. »Soll der Winzling etwa mithören?«
Ben stöhnte auf. »Fängst du schon wieder an? Warum soll er denn nicht mithören?«
Schwefelfell musterte den Homunkulus von Kopf bis Fuß. »Warum sollte er?«, entgegnete sie schnippisch. »Ich finde, diese Frage sollten so wenig Ohren wie möglich hören.«
»Ich geh ja schon«, sagte Fliegenbein. »Bin schon weg.«
Aber Ben hielt ihn an der Jacke fest. »Du bleibst hier«, sagte er. »Ich trau dir. Und ich muss diese Frage stellen. Also, hörst du jetzt endlich zu, Schwefelfell?«
Das Koboldmädchen verdrehte die Augen. »Wie du willst. Aber deine Gutgläubigkeit wird uns noch viel Ärger einbringen. Darauf verwette ich meine Pilze.«
»Du spinnst, Schwefelfell«, sagte Ben. »Du spinnst total.«
Fliegenbein saß auf seinem Knie und wusste nicht, wo er hingucken sollte. Schon oft in seinem Leben war er sich klein und nichtsnutzig vorgekommen, aber noch nie so sehr wie in diesem Augenblick. Er schämte sich so sehr, dass er dem Jungen am liebsten auf der Stelle alles gestanden hätte.
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