Drachenreiter
- Tage!«, knurrte Nesselbrand mit bedrohlich leiser Stimme. »Was habe ich dir gesagt?«
»Es gab nichts zu berichten, Meister«, antwortete Fliegenbein. »Sonne und Staub, das ist alles, was wir die letzten Tage gesehen haben, nichts als Sonne und Staub. Ich habe fast die ganze Zeit im Rucksack des Jungen gesteckt. Ich bin völlig zerknittert.«
»Wann kommt ihr zu dem Dschinn?«, fauchte Nesselbrand.
»Morgen.« Fliegenbein schluckte. »Ach ja, Meister, der Rabe ist wieder da. Ich werde also wohl besser auf ihm weiterreiten.«
»Unsinn!« Nesselbrand bleckte die Zähne. »Du bleibst in dem Rucksack. Je näher du ihnen bist, desto eher wirst du die Antwort des Dschinns hören. Der Rabe wird dir für den Notfall folgen.«
»Aber das Koboldmädchen«, wandte Fliegenbein ein. »Sie traut mir nicht!«
»Was ist mit dem Drachen und dem Jungen?«
»Die schon.« Fliegenbein senkte den Kopf. »Der Junge beschützt mich sogar vor dem Kobold.«
Nesselbrand verzog spöttisch das scheußliche Maul. »Was für ein kleiner Dummkopf!«, grunzte er. »Ich muss ihm wirklich dankbar sein. Vor allem, wenn er morgen für mich herausfindet, wo die anderen Drachen sind. Aaah!« Er schloss die roten Augen. »Was wird das für ein Fest! Sobald du die Antwort weißt, berichtest du mir, verstanden? Ich mache mich dann sofort auf den Weg. Und ehe dieser Drachendummkopf wieder in der Luft ist, bin ich schon am Saum des Himmels. «
Verblüfft starrte Fliegenbein auf das Abbild seines Meisters. »Wie wollt Ihr das anstellen?«, fragte er. »Es ist ein weiter Weg für Euch.«
»Oh, ich habe meine eigenen Wege«, knurrte Nesselbrand, »aber das geht dich nichts an, Spinnenbein. Geh jetzt zurück, bevor jemand Verdacht schöpft. Ich werde mir ein paar Kühe fangen.«
Fliegenbein nickte.
»Sofort, Meister. Aber da ist noch etwas«, er strich über eine Blume, die am Wasser wuchs. »Der große Mensch, Wiesengrund, hatte zwei Eurer Schuppen.«
Plötzlich war es ganz still. Nur ein paar Zikaden zirpten im Gras. »Was hast du gesagt?«, fragte Nesselbrand. Seine roten Augen glühten.
Fliegenbein zog den Kopf ein.
»Er hatte zwei Schuppen«, wiederholte er. »Eine hat er immer noch. Die andere hat er dem Jungen geschenkt. Ich habe sie mir angesehen, Meister. Es muss eine von denen sein, die Ihr vor langer Zeit in den Bergen verloren habt.«
Nesselbrand ließ ein böses Knurren hören. »Da sind sie also. In Menschenhand.« Unwillig schüttelte er den Kopf. So heftig, dass Kiesbart sich gerade noch an einem seiner Hörner festklammern konnte.
»Ich will sie zurück!«, brüllte Nesselbrand. »Niemand soll sie besitzen. Niemand. Die Haut juckt mir da, wo sie fehlen. Will dieser Mensch etwa das Geheimnis meines Panzers ergründen?« Nesselbrand kniff die roten Augen zusammen. »Nimm dem Jungen die Schuppe weg, verstanden?«
Fliegenbein nickte hastig.
Nesselbrand leckte sich die Zähne. »Um die, die der große Mensch hat, kümmere ich mich selber«, brummte er. »Wie heißt er noch mal?«
»Wiesengrund«, antwortete Fliegenbein. »Professor Barnabas Wiesengrund. Aber er wird bald abreisen von dem Ort, von dem ich Euch zuletzt berichtet habe.«
»Ich bin schnell!«, knurrte Nesselbrand. »Sehr schnell.« Er schüttelte sich, dass seine Schuppen klirrten. »Verschwinde jetzt. Und mach dir keine Gedanken um den misstrauischen Kobold. Den fresse ich schon bald als Vorspeise. Und das Menschlein auch.«
Fliegenbein schluckte. Sein Herz klopfte plötzlich wie wild. »Den Jungen auch?«, hauchte er.
»Warum nicht?« Nesselbrand gähnte gelangweilt. Fliegenbein konnte bis tief in seinen goldenen Rachen sehen. »Sie schmecken gar nicht schlecht, diese eingebildeten Zweibeiner.« Dann verschwand Nesselbrands Bild. Nur Staub schwamm auf der trüben Wasseroberfläche. Fliegenbein trat vom Rand der Zisterne zurück, drehte sich um - und fuhr zusammen. Schwefelfell stand oben an der Treppe, in der Pfote ihre leere Wasserflasche.
»Sieh mal an«, sagte sie und kam langsam die Stufen herunter. »Was treibst du denn hier? Ich denke, du wolltest spazieren gehen?«
Der Homunkulus wollte an ihr vorbeihuschen, aber Schwefelfell trat ihm in den Weg. Er sah über die Schulter. Der Rand der Zisterne war bedrohlich nahe. Und er konnte nicht schwimmen. Schwefelfell kniete sich neben ihn und füllte ihre Flasche mit dem staubigen Wasser. »Mit wem hast du dich gerade unterhalten?«
Fliegenbein wich so weit wie möglich vorn Wasser zurück. Wenn sein Meister
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