Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachenreiter

Titel: Drachenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
Vom Netzwerk:
wieder erschien, war er verloren. »Unterhalten?«, stotterte er. »Ähm, ja, ich habe mich unterhalten. Mit meinem Spiegelbild, wenn du nichts dagegen hast.«
    »Mit deinem Spiegelbild?« Schwefelfell schüttelte spöttisch den Kopf. Aber dann sah sie sich um und entdeckte den Raben, der immer noch im Baum hockte und neugierig zu ihnen hinuntersah. Fliegenbein kletterte hastig die Treppe hinauf. Schwefelfell hielt ihn an der Jacke fest.
    »Warte, warte, nicht so eilig«, sagte sie. »Hast du etwa mit der Schwarzfeder da gesprochen?«
    »Mit dem?« Fliegenbein zerrte seine Jacke aus ihrem Griff und machte ein beleidigtes Gesicht. »Sehe ich so aus, als spräche ich mit Vögeln?«
    Schwefelfell zuckte die Schultern. Sie richtete sich auf und stöpselte ihre Flasche zu. »Keine Ahnung«, sagte sie. »Aber du solltest dich lieber nicht von mir dabei erwischen lassen. He, Schwarzfeder!« Sie drehte sich um und sah zu dem Raben hinauf. »Kennst du den Winzling hier zufällig?« Aber der Rabe schlug nur mit den schwarzen Flügeln und glitt mit lautem Krächzen davon.

    BESUCH FÜR BARNABAS WIESENGRUND  
     
    Barnabas Wiesengrund packte seine Koffer. Nicht dass er viel zu packen hatte. Er nahm auf seine Reisen nur eine ausgebeulte, alte Tasche mit, in die ein paar Hemden, ein paar Unterhosen, sein Lieblingspullover und eine Federtasche voller Bleistifte passten. Außerdem hatte er immer eine Kamera dabei und ein dickes, fleckiges Skizzenbuch, in das er alle Geschichten schrieb, die er aufschnappte. Fotos klebte er auch hinein, Abschriften von Inschriften, die er entdeckt hatte, und Zeichnungen, die er nach Beschreibungen von Menschen angefertigt hatte, die einem Fabelwesen begegnet waren. Fast hundert solcher Bücher hatte der Professor schon gefüllt. Sie standen alle zu Hause in seinem Arbeitszimmer, säuberlich sortiert nach Art der Fabelwesen und den Orten, an denen sie aufgetaucht waren. Dieses hier, Barnabas Wiesengrund strich zärtlich über den Einband, dieses würde einen Ehrenplatz bekommen, denn es klebte ein Foto von Lung darin. Der Drache hatte ihm zum Dank für seine Rettung erlaubt ihn zu fotografieren.
    »Ach, ich bin schon sehr gespannt, was Vita dazu sagen wird«, seufzte der Professor, als er das Buch in seiner Tasche verstaute. »Sie hat immer befürchtet, dass die Drachen ausgestorben sind.« Mit zufriedenem Lächeln nahm er ein Handtuch und trat hinaus in die Abenddämmerung, um sich vor der Reise den Staub und Schweiß aus dem Gesicht zu waschen.
    Sein Zelt stand ganz am Rand des Lagers, in der Nähe des einzigen Brunnens. Ein Esel und ein paar Kamele waren nicht weit entfernt angepflockt und dösten in der warmen Abendluft vor sich hin. Menschen waren nicht zu sehen. Das Lager lag wie ausgestorben da. Die meisten Bewohner waren in die nahe Stadt gefahren. Die übrigen schliefen in ihren Zelten, schrieben Briefe nach Hause oder saßen über ihren Aufzeichnungen.
    Barnabas Wiesengrund trat an den großen Brunnen heran, hängte sein Handtuch über den Rand und zog sich einen Eimer von dem herrlich kühlen Wasser herauf. Dabei pfiff er leise vor sich hin und sah hinauf zu den Sternen, die an diesem Abend so zahllos waren wie die Sandkörner unter seinen Füßen.
    Plötzlich hoben die Esel und Kamele erschrocken die Köpfe. Sie schnaubten, sprangen auf und zerrten an ihren Seilen. Aber Barnabas merkte davon nichts. Er dachte gerade an seine Tochter und fragte sich, ob sie wohl schon wieder gewachsen war in den vier Wochen, die er sie nicht gesehen hatte. Doch dann schreckte auch ihn ein Geräusch aus den angenehmen Gedanken. Es kam aus der Tiefe des Brunnens und es klang wie ein Schnaufen - das Schnaufen eines sehr, sehr großen Tieres.
    Erschrocken stellte der Professor den Eimer auf den Brunnenrand und machte einen Schritt zurück. Keiner wusste besser als er, dass Brunnen ein beliebter Aufenthaltsort von einigen höchst unfreundlichen Geschöpfen sind. Aber die Neugier des Professors war schon immer stärker als seine Vorsicht, und so machte er nicht das, was vernünftig gewesen wäre, nämlich sich umzudrehen und auf dem schnellsten Weg davonzulaufen. Nein. Barnabas Wiesengrund blieb stehen und wartete gespannt auf das, was sich da anschickte aus dem Brunnen zu kriechen. Mit der linken Hand griff er schon mal zu dem kleinen Spiegel, der für alle Fälle in seiner hinteren Hosentasche steckte. Da bewahrte er noch einige Dinge auf, die bei gefährlichen Begegnungen nützlich sein konnten.
    Das

Weitere Kostenlose Bücher