Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachenreiter

Titel: Drachenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
Vom Netzwerk:
kicherte. »Dann solltet Ihr ihnen den Namen vorlesen. Hier wird kaum jemand die Schrift entziffern können. Wenn die Kinder in diesem Dorf überhaupt lesen können. Das auf der Karte sind europäische Buchstaben, junger Herr! Hier schreibt man ganz anders. Die Drachenforscherin hat dem Professor eine Visitenkarte in seiner, nicht in ihrer Sprache gegeben, versteht Ihr?«
    »Aha!« Ben blickte den Homunkulus erstaunt an - und stolperte fast über eine Schildkröte, die seinen Weg kreuzte. »Was du so alles weißt, Fliegenbein.«
    »Nun ja«, Fliegenbein zuckte die Achseln. »Ich habe endlos viele Nächte in der Bibliothek meines Meisters verbracht. Ich habe Bücher über Zauberei gelesen und über die Geschichte der Menschen. Ich habe Biologie studiert, soweit man das anhand von Menschenbüchern kann, Astronomie, Astrologie, Geografie, Schriftkunde und diverse Sprachen.«
    »Ach, wirklich?« Ben stapfte die flachen Hügel hinauf, die das Dorf verbargen. Bald konnte er die ersten Hütten sehen. Fischernetze hingen zum Trocknen davor. Das Meer rauschte auf einen breiten Strand, an dem ein Boot neben dem anderen lag. Zwischen den Booten sah Ben Männer stehen, mit Turbanen auf den Köpfen.
    »Kannst du auch die Sprache, die hier gesprochen wird?«, fragte er den Homunkulus.
    »Urdu?« Fliegenbein verzog das Gesicht. »Selbstverständlich, junger Herr. Ich habe es gelernt, als ich mich mit den großen Weltreligionen befasste. Urdu ist nicht meine Lieblingssprache, aber ich komme zurecht.«
    »Na, wunderbar!« Ben fiel ein Stein vom Herzen. Wenn Fliegenbein die Sprache verstand, die hier gesprochen wurde, dann würde es nicht schwer sein, die Drachenforscherin zu finden. »Ich glaub, es ist besser, dass dich erst mal keiner sieht«, sagte er zu dem Homunkulus. »Meinst du, du kannst dich so zwischen meine Sachen setzen, dass du mir zuflüstern kannst, was sie sagen?«
    Fliegenbein nickte und kletterte zurück in den Rucksack. »Wie ist es so?«, raunte er. »Könnt Ihr mich so verstehen, junger Herr?«
    Ben nickte. Er stieg den Hügel hinunter und kam zu ein paar Ziegengattern. Hühner liefen ihm zwischen die Füße. Kinder spielten vor flachen Hütten in der Morgensonne. Sie sprangen um Frauen herum, die vor den Hütten saßen, miteinander lachten und Fische putzten. Zögernd ging Ben weiter. Die Kinder entdeckten ihn als Erste. Neugierig kamen sie auf ihn zu. Sie redeten auf ihn ein, fassten ihn an den Händen und zogen ihn mit sich. Die meisten waren kleiner als Ben. Ihre Gesichter waren fast so dunkel wie ihre Augen und ihr Haar war pechschwarz.
    »Was heißt >Guten Tag    »Salam aleikum«, flüsterte Fliegenbein. »Khuea hasiz!«
    »Salam aleikum. Khu- ahm - khuea hasiz«, wiederholte Ben, so gut seine Zunge es vermochte.
    Die Kinder um ihn herum lachten, schlugen ihm auf die Schultern und redeten noch schneller auf ihn ein als vorher. Ben hob abwehrend die Hände.
    »Halt!«, rief er. »Nein, nein, ich versteh nicht. Moment.« Er drehte den Kopf. »Was heißt, ich komme von weit her?«, zischte er wieder über die Schulter.
    Verdutzt guckten die Kinder auf seinen Rucksack. Da kroch zu Bens Schreck Fliegenbein plötzlich heraus, zog sich an Bens Ohren und Haaren hoch, kletterte auf seinen Kopf  - und verbeugte sich.
    »Einen gesegneten guten Morgen!«, rief er in etwas fehlerhaftem Urdu. »Wir kommen in freundlicher Absicht und wollen hier jemanden besuchen.«
    »Fliegenbein!«, zischte Ben. »Komm sofort da runter. Bist du verrückt geworden?«
    Fast alle Kinder wichen erschrocken zurück. Nur zwei, ein Junge und ein Mädchen, blieben stehen und blickten staunend auf den winzigen Mann, der da auf dem Kopf des Fremden stand und ihre Sprache sprach. Auch ein paar Erwachsene hatten inzwischen mitbekommen, dass etwas Ungewöhnliches vorging. Sie ließen ihre Arbeit liegen, kamen näher und blieben ebenso staunend stehen wie ihre Kinder, als sie den Homunkulus sahen.
    »Verflixt, Fliegenbein!«, Ben stöhnte. »Das war keine gute Idee. Wahrscheinlich halten sie mich jetzt für'n Hexer oder so was.« Aber plötzlich fingen Leute an zu lachen. Sie stießen sich an, hoben ihre kleinen Kinder hoch und zeigten auf den Homunkulus, der mit stolzgeschwellter Brust auf Bens Kopf stand und eine Verbeugung nach der anderen machte.
    »O danke, vielen Dank!«, rief er auf Urdu. »Mein Meister und ich sind hocherfreut über diesen freundlichen Empfang. Hättet

Weitere Kostenlose Bücher