Drachenreiter
Haar in einem Zopf bis zu ihren Hüften hing, »ist die berühmte Drachenforscherin Subaida Ghalib.«
Frau Ghalib senkte mit einem Lächeln den Kopf. »Es ist mir eine große Ehre, Drachenreiter«, sagte sie in Bens Sprache. »Barnabas hat mir Erstaunliches von dir berichtet. Du sollst nicht nur ein Drachenreiter sein, sondern auch ein Koboldfreund, und wie ich sehe, sitzt wirklich ein Homunkulus auf deiner Schulter. Ich bin sehr froh, dass du hier bist. Barnabas war sich nicht sicher, ob ihr kommt, und so haben wir seit seiner Ankunft vor zwei Tagen sehnsüchtig auf euch gewartet. Wo ...«, sie sah Ben gespannt an, »wo ist dein Freund, der Drache?«
»Ganz in der Nähe«, antwortete Ben. »Er und Schwefelfell verstecken sich am Fluss. Ich wollte erst nachsehen, ob sie ohne Gefahr herkommen können, so wie der Professor«, er blickte Barnabas Wiesengrund an, »es mir geraten hat.«
Subaida Ghalib nickte. »Klug von dir. Obwohl ich glaube, dass ihnen in diesem Dorf keine Gefahr droht. Du bist nämlich keineswegs der erste Drachenreiter, der hierher kommt. Aber davon später.« Sie sah den Jungen lächelnd an. »Ich bin froh, dass du es so gemacht hast. Die Ankunft eines Drachen hätte für so viel Aufregung gesorgt, dass ihr wahrscheinlich nie bis zu meiner Hütte vorgedrungen wärt. Weißt du«, Subaida Ghalib goss Ben ein Schälchen Tee ein und ihre Armreifen klirrten gegeneinander wie die Glöckchen vor ihrer Tür, »für dich ist der Drache bestimmt längst etwas Alltägliches, aber mein Herz klopft wie das eines jungen Mädchens, wenn ich mir vorstelle, ihm zu begegnen. Und den Menschen in diesem Dorf geht es bestimmt nicht anders.«
»Och, für mich ist er auch immer noch ziemlich aufregend«, murmelte Ben und warf einen schnellen Blick zu Guinever hinüber, die Fliegenbein anlächelte. Der Homunkulus warf ihr geschmeichelt eine Kusshand zu.
»Du solltest Lung so bald wie möglich hierher holen«, sagte Barnabas Wiesengrund. »Ich habe euch dreien einiges zu berichten.« Er rieb sich die Nase. »Es ist leider kein Zufall, dass wir uns hier wieder begegnen. Ich bin zu Subaida gereist um euch zu warnen.«
Ben sah ihn überrascht an. »Zu warnen?«
Der Professor nickte. »Ja, in der Tat.« Er nahm seine Brille ab und putzte sie. »Ich hatte eine sehr unerfreuliche Begegnung mit Nesselbrand, dem Goldenen.«
Fliegenbein vergaß fast das Atmen vor Schreck.
»Der Goldene?«, rief Ben. »Der, dem die goldenen Schuppen gehören? Wissen Sie, dass er die Drachen aus dem Meer getrieben hat? Es war kein Seeungeheuer!«
»Ja, das habe ich von Subaida auch schon erfahren.« Barnabas Wiesengrund nickte. »Sein Name hätte mir viel eher einfallen müssen. Nesselbrand, der Goldene. Es gibt ein paar abscheuliche Geschichten über ihn, allerdings sind sie alle viele hundert Jahre alt. Bis auf die, die sich hier vor der Küste ereignet hat.«
Fliegenbein rutschte unruhig auf Bens Schulter hin und her.
»Ich sage dir, mein Junge«, fuhr der Professor fort. »Mir zittern jetzt noch die Knie, wenn ich an dieses Ungeheuer denke. Nur meinem Wissen über Steinzwerge habe ich zu verdanken, dass ich jetzt hier sitze. Hast du die goldene Schuppe noch, die ich dir gegeben habe?«
Ben nickte. »Es ist seine, nicht wahr?«
»O ja, und ich bin nicht sicher, dass du sie behalten solltest. Aber das erzähle ich alles, wenn Schwefelfell und Lung bei uns sind. Ich würde sagen, du holst sie jetzt. Was meinst du, Subaida?« Fragend sah er die Drachenforscherin an.
Subaida Ghalib nickte. »Von den Menschen hier im Dorf droht ihm ganz bestimmt keine Gefahr«, sagte sie, »und Fremde kommen selten hierher.«
»Aber was ist mit den Raben?«, fragte Fliegenbein.
Erstaunt sahen die andern ihn an.
»Stimmt, die Raben!«, rief Ben. »Die hatte ich ganz vergessen. Es saßen zwei auf dem Hüttendach. Wir glauben, dass sie Spione sind. Spione von diesem - wie haben Sie ihn genannt?«
»Nesselbrand«, antwortete Barnabas Wiesengrund. Er und Subaida Ghalib wechselten besorgte Blicke.
»Ja, diese Raben.« Die Drachenforscherin faltete ihre Hände. Ben sah, dass an jedem Finger ihrer linken Hand ein Ring mit einem anderen Stein steckte. »Über die mache ich mir auch seit geraumer Zeit Gedanken. Sie waren schon hier, als ich ankam. Meist hocken sie oben beim Grabmal. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass sie mir folgen, wohin ich auch gehe. Natürlich habe ich gleich an die alte Geschichte von den schwarzen Vögeln gedacht, die den Mond
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