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Drachenreiter

Titel: Drachenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
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sagte Ben und setzte ihn auf seine Schulter. »Du hast uns alle gerettet. Du hast ihn schließlich in die Wüste geschickt. Was meinst du, wie Schwefelfell guckt, wenn wir ihr das erzählen! Ich kann es gar nicht erwarten.« Und dann rannte er, so schnell ihn seine Füße trugen, zurück an den Strand, um die gute Nachricht zu überbringen.

    AUGE IN AUGE  
     
     
    »Gut gemacht!«, knurrte Nesselbrand. »Das hast du wirklich gut gemacht, Zwerg. Das elende Spinnenbein hat dir geglaubt.«
    Er hob die Schnauze aus dem Wasser und schob den riesigen Leib schnaufend ans Ufer. Ein Schwärm Vögel flatterte auf und floh mit lautem Schreien in den Nachthimmel. Kiesbart klammerte sich an ein Horn und blickte besorgt nach unten, wo der große Fluss schwarz wie Tinte an Nesselbrands Schuppen leckte.
    »Wie wäre es mit einer kleinen Belohnung?«, fragte er. »Gebt mir nur eine von Euren Schuppen, Euer Goldheit!«
    »Für das bisschen Lügen? Pah. Sei still!«, grunzte Nesselbrand.
    Kiesbart muffelte beleidigt in seinen Bart.
    »Ich werde jetzt seine Witterung aufnehmen«, knurrte Nesselbrand.
    »Von wem?«
    »Von dem Silberdrachen, du Kieskopf.«
    »Aber da sind doch Menschen.« Besorgt rückte der Zwerg seinen Hut zurecht. »Jede Menge Menschen. Was ist, wenn sie Euch sehen? Eure Schuppen leuchten im Mondlicht, Euer Goldheit!«
    »Halt den Mund!« Nesselbrand stapfte durch den Uferschlamm auf den Hügel zu, hinter dem das Dorf lag. Dort wurde immer noch gefeiert. Musik und Gelächter trieben mit dem Wind herüber und übertönten das Rauschen des Meeres. Nesselbrand spitzte die Ohren und schob sich schnaufend auf den Kamm des Hügels.
    Da war er, der silberne Drache.
    Lung stand am Ufer des Meeres, umringt von Menschen, und Ben und Schwefelfell kletterten gerade auf seinen Rücken. Gierig sog Nesselbrand die Nachtluft ein, schnüffelte und schnaubte. »Ja, jetzt habe ich seine Witterung«, raunte er. »Jetzt kann er mir nicht mehr entkommen. Die Jagd hat wirklich begonnen. Endlich!«
    Er leckte sich das scheußliche Maul. Die Jagdlust brannte in seinen Gliedern wie Feuer. Unruhig trat er von einer Pranke auf die andere.
    »Wie wollt Ihr ihm folgen?«, fragte der Zwerg und putzte ein paar Spritzer Flussschlamm von Nesselbrands gepanzerter Stirn. »Er kann fliegen, Ihr nicht.«
    »Pah!« Nesselbrand schüttelte verächtlich den Kopf. »Von hier führt nur ein Weg in die Berge und das ist der Fluss. Er fliegt, ich schwimme. Der Weg ist der gleiche. Außerdem habe ich seinen Geruch in der Nase. Ich werde ihn immer wieder finden. Der Wind wird mir zuflüstern, wo er ist.«
    Unten am Strand drehte Lung sich um. Er wandte dem Meer, das immer noch silbern im Mondlicht glänzte, den Rücken zu und blickte nach Norden. Die Menschen um ihn herum wichen zurück. Nur vier blieben stehen, ein langer, dünner Mann, zwei Frauen, die eine klein, die andere groß, und ein Kind. Der Drache beugte sich zu ihnen hinunter.
    »Da ist dieser Professor«, knurrte Nesselbrand. »Der, der meine Schuppe hat. Wie, zum Teufel, kommt der hierher?«
    »Keine Ahnung, Euer Goldheit.« Kiesbart fasste nervös unter sein Hemd, wo an einem Band der Ehering von Barnabas Wiesengrund hing.
    »Nun, den werde ich mir später vorknöpfen«, brummte Nesselbrand. »Jetzt habe ich keine Zeit für ihn. Den Spaß spar ich mir auf für später.«
    »Seht, Euer Goldheit«, flüsterte Kiesbart, »der Drache bricht auf.«
    Lung breitete die Flügel aus. Sie schimmerten, als wären sie aus gesponnenem Mondlicht.
    »Auf geht's!«, raunte Nesselbrand. »Hinauf zum Saum des Himmels, mein kleiner Drachenspürhund. Such mir die anderen.«
    In dem Augenblick sah der Junge zu den Hügeln hinüber. Nesselbrands Schuppen blitzten im Mondlicht auf, so grell, dass Ben die Augen zukniff. Im nächsten Moment war das goldene Blitzen verschwunden. Eine Wolke hatte sich vor den Mond geschoben, eine große Regenwolke. Ihr Schatten hüllte die Hügelkuppen in Dunkelheit. Verwirrt starrte der Junge in die Nacht.
    Nesselbrand lachte heiser. »Siehst du, Zwerg«, knurrte er. »Sogar die Wolken sind auf unserer Seite.«
    Der Silberdrache schlug mit den Flügeln und stieg leicht wie ein Vogel in den dunklen Himmel empor. Er kreiste noch ein paar Mal über den Hütten, während die Menschen am Strand ihm zuwinkten, und flog in die Nacht hinein.
    Nesselbrand sah ihm noch einen Moment lang nach. Dann rutschte er ächzend den Hügel hinunter und ließ sich wieder in den Fluss sinken. Lautlos glitt

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