Drachenreiter
streicheln, auf den gezackten Rücken klettern oder sich zwischen Lungs Tatzen setzen. Der Drache ließ das alles freundlich über sich ergehen, aber Schwefelfell kannte ihn gut genug um seine Ungeduld zu spüren.
»Seht ihr, wie seine Ohren zucken?«, sagte sie und stopfte sich eine Pfote Reis in den Mund.
Es waren Rosinen drin, süße Mandeln und Gewürze, die so köstlich schmeckten, dass Schwefelfell zum ersten Mal in ihrem langen Leben nicht genug von einem Menschenessen bekam.
»Wenn Lungs Ohren so zucken«, schmatzte sie, »dann ist er ungeduldig, sehr ungeduldig sogar. Seht ihr die Falte über seiner Nase? Ich sage euch, am liebsten würde er jetzt aufspringen und losfliegen.«
»Das kann er bald«, sagte Subaida Ghalib und setzte sich neben sie. In der Hand hielt sie ein Fläschchen aus rotem Glas, in dem es silbrig schimmerte. »Ich habe jeden Tropfen von den Blättern der Drachenblumen gesammelt. Mehr kann ich leider nicht für euch tun. Hier, Drachenreiter«, sie gab Ben das Fläschchen, »bewahre es sorgfältig auf. Ich hoffe, ihr braucht es nicht, aber ich bin sicher, dass es euch helfen kann.«
Ben nickte und verstaute den Mondtau in seinem Rucksack. Die Karte der Ratte steckte auch schon drin. Er hatte über die Anweisungen des Dschinns mit Barnabas Wiesengrund gesprochen. Der Professor hatte Ben erklärt, dass der Palast, den er im Auge des Dschinns gesehen hatte, nur ein Kloster sein konnte, das die Wiesengrunds von einer früheren Reise kannten. Es lag nicht weit hinter der Stelle, an der der Indus seinen Lauf nach Osten änderte, tief im Himalaja. In diesem Gebiet hatte Gilbert Grauschwanz' Karte viele weiße Flecken.
»Was meinst du, Drachenforscherin«, fragte Schwefelfell und klopfte sich ein paar Reiskörner aus dem Fell. »Kann sich ein hungriger Kobold wohl etwas von dem Menschenessen als Proviant mitnehmen?«
Subaida Ghalib lachte. »Ganz sicher«, sagte sie. »Schließlich wollen wir alle, dass du bei Kräften bleibst. Wer weiß, wie viele Zauberraben du noch vom Himmel scheuchen musst.«
»Ja, wer weiß«, murmelte Schwefelfell und sah zum Himmel. Nicht den winzigsten schwarzen Punkt entdeckten ihre scharfen Augen zwischen den Sternen, aber sie traute dem Frieden nicht. Die Nacht war ein guter Mantel für schwarze Federn.
»He, Fliegenbein«, sagte sie und zupfte den Homunkulus am Ärmel, »such dir einen Tümpel. Es wird Zeit mit deinem Meister zu reden.« Fliegenbein, der auf Bens Knie saß und verträumt hinüber zu den feiernden Menschen sah, schreckte auf. »Was hast du gesagt?«
»Nesselbrand!«, wiederholte Schwefelfell ungeduldig. »Dein alter Meister! Finde raus, ob er immer noch in der Wüste steckt. Wir fliegen bald los.«
»Ach ja.« Fliegenbein sank in sich zusammen. »Soll ich mitkommen?«, fragte Ben.
»Oh, würdet Ihr das tun, junger Herr?« Fliegenbein sah den Jungen dankbar an.
»Klar.« Ben setzte sich den Homunkulus auf die Schulter und stand auf. »Aber wenn du noch mal >junger Herr< sagst, geh ich weg und du kannst allein mit dem Monster reden.« Fliegenbein nickte und klammerte sich an den Pullover des Jungen.
»Gut, erledigt ihr das«, rief Barnabas Wiesengrund ihnen nach. »Ich und Subaida befreien Lung währenddessen schon mal von seinen Bewunderern.«
Ben trug Fliegenbein zu dem Drachenblumen-Feld. Neben dem Zaun war ein flaches Wasserbecken in die Erde eingelassen, aus dem Subaida die Blumen goss, wenn die Hitze ihre Blätter schlaff werden ließ. Es war mit schwarzer Plastikfolie abgedeckt, damit das kostbare Wasser nicht in der Sonne verdunstete. Ben stellte Fliegenbein auf die Erde, zog die Folie zur Seite und setzte sich auf den Zaun. Die Drachenblumen hatten ihre Blüten weit geöffnet und ihre stachligen Blätter leuchteten in der Nacht.
»Was ist, wenn er wirklich noch in der Wüste steckt?«, fragte Ben. »Kann er dir dann trotzdem antworten?«
Der Homunkulus schüttelte den Kopf. »Nein, ohne Wasser kann er auch das nicht. Aber ich glaube nicht, dass Nesselbrand noch in der Wüste steckt.«
»Wieso nicht?«
»Ich fühle es«, murmelte Fliegenbein. Er hob einen kleinen Stein auf.
Ben rutschte unbehaglich auf dem Zaun herum. »Wenn er doch erscheint«, sagte er, »kann er mich hier sehen, was meinst du?«
Fliegenbein schüttelte den Kopf. Mit weichen Knien trat er an den Rand des Wassers. Sein Spiegelbild war bleicher als der Mond. Aber der Duft der Blumen erfüllte die Nacht und beruhigte sein heftig klopfendes Herz.
»Bleib
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