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Drachenreiter

Titel: Drachenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
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dunkel«, flüsterte der Homunkulus. »Bleib dunkel, Wasser!«
    Dann warf er den Stein. Platsch. Schimmernde Kreise breiteten sich auf der Wasseroberfläche aus. Fliegenbein hielt den Atem an. In dem dunklen Becken erschien ein Bild. Aber es war nicht Nesselbrands.
    »Kiesbart!« Fliegenbein fuhr überrascht zurück.
    »Oh, Fliegenbein, endlich meldest du dich!« Der Steinzwerg schob den viel zu großen Hut zurück. Dicke Tränen kullerten ihm die Nase hinunter. »Der Meister, Seine Goldheit«, er riss die kurzen Arme hoch und ließ sie hilflos wieder sinken, »er, er, er ...«
    »Was, was ... was ist mit ihm?«, stammelte Fliegenbein.
    Ben lehnte sich gespannt vom Zaun herunter.
    »Er ist versunken!«, stöhnte Kiesbart. »Im Sand! Schwapp, weg war er. Ohhhh!« Er verdrehte die Augen und fuhr mit heiserer Stimme fort: »Es war sooooo entsetzlich, Fliegenbein. Das Geknirsche. Das Gequietsche - und dann plötzlich ...«, der Zwerg beugte sich vor, bis es aussah, als würde seine Nase durchs Wasser stoßen, «... war alles still. Ganz still.«
    Er richtete sich wieder auf und zuckte die Schultern. »Was sollte ich machen? Ich konnte ihn doch nicht ausgraben. Ich bin doch viel zu klein!«
     
    Fliegenbein sah den schluchzenden Zwerg nachdenklich an. Er konnte nicht glauben, was Kiesbart erzählt hatte. War es wirklich möglich, dass all ihre Sorgen im Sand einer fernen Wüste versunken waren?
    »Wo bist du jetzt, Kiesbart?«, fragte Fliegenbein den schniefenden Zwerg.
    »Ich?« Kiesbart wischte sich die Nase an seinem Jackenärmel ab. »Ich habe Glück gehabt. Eine Karawane ist vorbeigezogen, dort wo Seine Goldheit ...«, er schluchzte schon wieder los, »dort, wo Seine Goldheit versunken ist. Ich konnte mich an das Bein eines Kamels klammern. So bin ich in eine Stadt gekommen, eine Menschenstadt voller Gold und Diamanten. Wunderbar, sage ich dir, ein ganz wunderbarer Ort.«
    Fliegenbein nickte. Gedankenversunken starrte er ins Wasser.
    »Und du?«, fragte der Zwerg. »Wo bist du jetzt?«
    Fliegenbein wollte gerade den Mund aufmachen, aber im letzten Augenblick schluckte er die Antwort herunter.
    »Wir«, sagte er stattdessen, »haben auch erst gestern herausgefunden aus der Wüste. Die Drachen haben wir ebenso wenig entdeckt wie ihr. Dieser niederträchtige Dschinn hat gelogen.«
     
    »Ja. Was für ein Schurke, Erz und Seifenzinn aber auch!« Kiesbart sah Fliegenbein an, aber der Homunkulus konnte die Augen des Zwergs kaum erkennen, der Schatten seiner riesigen Hutkrempe fiel darüber.
    »Was macht ihr nun?«, fragte Kiesbart. »Wo will der Silberdrache weiter suchen?«
    Fliegenbein zuckte die Schultern und machte das gleichgültigste Gesicht, das er zu Stande brachte. »Ich weiß nicht. Er lässt furchtbar den Kopf hängen. Hast du Rabe in letzter Zeit gesehen?«
    Kiesbart schüttelte den Kopf. »Nein, wieso?« Er sah sich um. »Ich muss jetzt Schluss machen«, zischte er. »Mach's gut, Fliegenbein. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann wieder.«
    »Ja«, murmelte Fliegenbein, während das Bild von Kiesbart im schwarzen Wasser verschwamm.
    »Hurraaaa!« Ben sprang mit einem Satz vom Zaun . Er hob Fliegenbein in die Luft, setzte ihn sich auf den Kopf und tanzte mit ihm um die Drachenblumen herum.
    »Wir sind ihn los!«, sang er. »Wir sind ihn lohohoooos! Er steckt im Sand, bis an den Rand! Er steckt im Dreck! Nun ist er weg, der fiese alte Drachenschreck! Oh, Mann!« Lachend lehnte er sich gegen den Zaun. »Hast du das gehört? Ich bin ein echter Dichter. He!«
    Er nahm Fliegenbein wieder von seinem Kopf und hielt ihn sich vors Gesicht. »Du sagst ja gar nichts. Siehst nicht gerade glücklich aus. Hast du ihn etwa doch gemocht, diesen Drachenfresser?«
    »Nein!« Empört schüttelte Fliegenbein den Kopf. »Es ist nur ...«, er rieb sich die spitze Nase, »... es klingt zu gut, um wahr zu sein, wisst Ihr? Ich habe mich so endlos lange mit ihm herumgeärgert und vor ihm Angst gehabt, so viele hundert Jahre, und jetzt«, er sah den Jungen an, »jetzt versinkt er einfach im Sand? Nein!« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kann es nicht glauben.«
    »Ach was!« Ben stupste ihm den Finger vor die schmale Brust. »Der Zwerg hörte sich nicht wie ein Lügner an. In der Wüste gibt es jede Menge Treibsand. Ich hab so was mal im Fernsehen gesehen. So ein Treibsand verschluckt ein ganzes Kamel, als ob es ein Sandfloh war, wirklich.«
    Fliegenbein nickte. »Ja, ja, ich habe auch davon gehört. Trotzdem.«
    »Kein Trotzdem«,

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