Drachenritter 01 - Die Nacht der Drachen
und sie könnten Euch fangen, wenn sie mich zwängen, Euch mit diesem Namen zu rufen. Sie haben versprochen, mich gehen zu lassen, wenn ich Euch dazu brächte, herzukommen. Ich bin nur ein Teichdrache, und um mich kümmert sich niemand. Ich muß selbst auf mich aufpassen. Ich mußte es, versteht Ihr das nicht? Ich mußte es einfach …!«
20
D IE GEPANZERTE G ESTALT schritt unerschrocken vorwärts, bis sie weniger als drei Schritte vor Jims Maul stand. Sie schob das Visier hoch, und Jim sah ein eckiges, fröhlich brutales Antlitz vor sich, mit einer großen Nase und blassen, kalten grauen Augen.
»Ich bin Sir Hugh de Bois de Malencontri, Drache«, sagte der Ritter.
»Ich kenne Euch«, sagte Jim.
»Ich will verdammt sein, wenn ich sehe, inwiefern du anders sein sollst als irgendein anderer Drache«, sagte Sir Hugh. »Aber was soll man streiten, wenn es SIE glücklich macht. Bindet ihn, Männer. Er ist zu schwer für die Pferde, aber wir werden einen Schlitten bauen und ihn darauf in den Turm schleifen.«
»Bitte, Herr Ritter, Euer Lordschaft, würdet Ihr mich jetzt losbinden?« rief Secoh. »Ihr habt ihn. Würdet Ihr nur diese festen Riemen durchschneiden und mich gehen lassen…«
Sir Hugh blickte zu Secoh hinüber und lachte. Dann wandte er sich zurück und betrachtete Jim.
»Herr Ritter! Herr Ritter!« Secoh zitterte am ganzen Leibe. »Ihr habt es versprochen! Ihr habt versprochen, Ihr würdet mich gehen lassen, wenn ich ihn dazu brächte, herzukommen. Ihr würdet doch Euer ritterliches Wort nicht brechen, nicht wahr, Euer königliche Hoheit?«
Sir Hugh sah den Teichdrachen wieder an und brach in brüllendes Gelächter aus.
»Hört nur! Hört nur den Drachen! Ritterehre sagt er! Ritterehre gegenüber einem Drachen?«
Das Gelächter brach unvermittelt ab.
»Nun, Drache«, sagte er zu Secoh. »Ich will deinen Kopf für meine Burgmauer! Für was für einen gottverdammten Narren hältst du mich eigentlich? Glaubst du wirklich, ich ließe dich frei?«
Er wandte sich ab; und als er das tat, ging ein tödlicher Schauer vom klaren Himmel nieder – ein Regen von ellenlangen Pfeilen pfiff ihnen um die Ohren. Ein halbes Dutzend der Armbrustschützen fiel. Die übrigen, einige davon hatten Pfeile in sich stecken, rannten schreiend unter die Bäume in Deckung. Vier Pfeile fielen rund um Sir Hugh, und ein langer Pfeil drang durch den oberen Rand seines linken Brustschildes und klirrte laut auf dem darunterliegenden Brustharnisch, ohne jedoch die zweite Eisenschicht zu durchbohren.
Sir Hugh fluchte, ließ sein Visier herunterfallen und rannte ebenfalls schwerfällig auf die Bäume zu. Ein zweiter Pfeilhagel ging in einem großen Kreis zwischen eben diesen Bäumen nieder, aber es war Jim unmöglich festzustellen, welchen Schaden sie angerichtet hatten. Er hörte die Geräusche davonlaufender Füße, eines Gepanzerten, der sein Pferd bestieg und davongaloppierte. Dann war Stille. Er und Secoh waren unverletzt, aber allein, abgesehen von den toten und sterbenden Armbrustschützen auf dem Boden in ihrer Umgebung.
Secohs Wimmern lenkte Jims Aufmerksamkeit zu dem Teichdrachen zurück. Er ging zu ihm, trieb die Klauen seiner Vorderpranke nacheinander in die Pfähle, die Secoh am Boden hielten, und zog sie heraus. Sie boten seinen Muskeln kaum Widerstand. Secoh setzte sich sofort auf und begann, die Lederriemen durchzubeißen, die die Pfähle an seinen Zehen festgehalten hatten.
»Warum hast du die Pfähle nicht selbst herausgezogen?« fragte Jim den Teichdrachen. »Ich weiß, das ist nicht einfach, wenn man so ausgestreckt liegt, aber jeder Drache…«
»Sie hatten all diese Bogen und Schwerter und sonstiges Zeug«, sagte Secoh. »Ich bin nicht so tapfer wie Ihr, Euer Großmut. Ich konnte nichts dafür, ich hatte einfach Angst; und ich dachte, wenn ich täte, was sie wollten, würden sie mich vielleicht gehen lassen.«
Er hörte auf, an den Riemen zu nagen, und duckte sich. »Ich verstehe natürlich, was Euer Ehrwürden jetzt empfinden. Ich hätte Euch nicht zum Landen auffordern dürfen…«
»Vergiß es!« sagte Jim barsch.
Secoh nahm ihn beim Wort und ging wieder an seine Lederriemen.
Jim drehte eine kleine Runde um die gefallenen Armbrustschützen. Aber für keinen von ihnen konnte man etwas tun. Die, die am Boden lagen, waren entweder schon tot oder würden es in ein paar Minuten sein; keiner davon war noch soweit bei Bewußtsein, um zu erkennen, daß jemand sich über ihn beugte. Jim wandte sich gerade
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