Drachenritter 01 - Die Nacht der Drachen
konzentriert arbeitete, daß eine Unterbrechung nicht willkommen schien, hatte eine kleine Balkenwaage aufgestellt und wog ein halbes Dutzend seiner Pfeile ab, einen nach dem anderen, dann korrigierte er leicht, aber peinlich sorgfältig ihre Schäfte und Federn.
Brian saß ein Stück entfernt an einem Tisch und verzehrte ein riesiges Frühstück aus Speck, Brot und kaltem Rindfleisch mit einigen Flaschen Wein.
Draußen war es noch dunkel. Das Morgengrauen war noch weit entfernt, nicht einmal der erste Lichtschein war sichtbar. Jim schätzte die Zeit auf etwa vier Uhr morgens.
Neidvoll betrachtete er Brian. Wer hatte schon so einen Appetit, noch ehe die Sonne aufgegangen war, und das an einem Tag, an dem er erwarten mußte, getötet zu werden?
»Ah, da seid Ihr ja, Sir James«, sagte Sir Brian und schwenkte seinen Becher. »Ein wenig Wein?«
Jim beschloß, daß er einen Schluck verdiente, trotz seiner Schulden bei Schankwirt Dick.
»Ja«, sagte er.
Brian entkorkte eine neue Flasche und reichte sie ihm. Jim packte sie mit einer Klaue, hielt sie an sein Maul und schluckte den Inhalt auf einmal hinunter.
»Danke«, sagte er.
»Dick!« brüllte Brian. »Wein für Sir James!«
Schankwirt Dick kam händeringend herbeigelaufen.
»Bitte, Herr Ritter«, sagte er, »nicht wieder ein Viertelfaß Bordeaux.«
»Unsinn«, sagte Brian. »Natürlich nicht! Nur ein paar Dutzend Flaschen, oder die entsprechende Menge. Nur soviel, um die Kehle des guten Ritters ein wenig anzufeuchten.«
»Oh, in diesem Fall… natürlich … natürlich …«
Dick eilte aus dem Zimmer. Jim hörte ihn nach einem Bediensteten rufen.
Was einige Minuten später zum Vorschein kam, waren nicht einige Dutzend Flaschen vom Besten des Wirts, sondern ein kleines Faß, nicht mehr als zehn Gallonen, von gutem, wenn auch zweitklassigem Wein. Aber das Fäßchen war voll, und Jim, mit einem schnellen, sehnsüchtigen Gedanken an die Jahrgänge, die er im Keller gekostet hatte, gab sich philosophisch mit dem Inhalt zufrieden. Schließlich konnte nicht einmal ein Drache von allem immer nur das Beste haben.
Er setzte sich mit Brian zum Trinken hin und nahm allmählich das geschäftige Treiben in der Umgebung in sich auf. Jedermann war sehr eifrig und sehr sachlich. Er hörte viel Waffenschärfen, letzte Ausbesserungen an der Ausrüstung, Überprüfen von Landkarten, Anweisungen und Befehle. Dementsprechend bemerkte er ein beinahe völliges Fehlen der fröhlichen Neckereien und Hänseleien, die tags zuvor einen bemerkenswerten Teil der Unterhaltung, besonders zwischen den Geächteten, ausgemacht hatten. Jetzt waren alle ernst. Überall qualmten und leuchteten Fackeln. Leute gingen schnell hin und her, jeder mit einer Arbeit beschäftigt, die keine Unterbrechung duldete. Giles war völlig von seinen Unterführern in Anspruch genommen und unnahbar. Aragh ging mit seinem Verband bald hinaus; und Danielle war jetzt nirgends mehr zu sehen. Dick und seine Leute waren wie der Kapitän und die Besatzung eines Schiffs, das gegen einen Hurrikan ankämpft. Schließlich ließ sogar Brian die Weinflaschen stehen und schlug freundlich vor, Jim solle, zum Teufel noch mal, zusehen, daß er wegkomme, einen Spaziergang machen oder sonst etwas, weil es für ihn selbst Zeit sei, sich um Blanchard und seine Waffen zu kümmern …
Jim befolgte den Rat und ging aus dem Wirtshaus hinaus in die tiefe, kühle Dunkelheit vor der Dämmerung. Er fühlte sich sehr einsam und fehl am Platze, wie ein Fremder bei einem großen Familientreffen; und dieses Gefühl wurde verstärkt durch eine Art sanfter Schwermut, hervorgerufen durch den Wein, den er gerade getrunken hatte. Er hatte eigentlich keine Sehnsucht nach seiner eigenen Welt – es war seltsam, aber trotz all der harten, mittelalterlichen Gegebenheiten entdeckte er, daß es ihm hier gefiel – aber nach jemandem, bei dem er vor Anker gehen konnte. Am liebsten bei Angie; aber, da das nicht möglich war, bei jedem, der ihm das Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln konnte, damit er sich nicht mehr wie eine verirrte Seele auf Wanderschaft zwischen zwei Welten vorzukommen brauchte.
Er sah sich wieder nach Aragh um und erinnerte sich, daß er gesehen hatte, wie der Wolf, unmittelbar nachdem Danielle ihn verbunden hatte, das Wirtshaus verließ. Aber weder seine Drachennase noch seine Ohren gaben ihm irgendeinen Hinweis, daß der Wolf in der Nähe war; und Jim kannte Aragh nun schon gut genug, um zu wissen, daß seine Chancen gering
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