Drachenritter 02 - Der Drachenritter
den hübschesten Mann der Welt nennst. Aber wie jedermann weiß, bin ich das nicht. Tatsächlich bin ich einer der…«
Er suchte nach dem passenden Wort.
»Einer der unattraktivsten, die man sich nur vorstellen kann.«
»Nein, bist du nicht!« erwiderte das Mädchen. »Aber selbst wenn es so wäre, würde ich dich trotzdem noch genauso leidenschaftlich lieben. Ich bin nämlich ein sehr leidenschaftliches Wesen, weißt du!«
»Ich verstehe«, sagte Jim.
»Ja, wirklich«, bekräftigte das Mädchen ernst. »Wir Elementargeister – eigentlich sind wir nur sehr wenige – sind sehr, sehr leidenschaftlich!«
»Das glaube ich dir gern«, meinte Jim.
»Ja.« Sie seufzte. »Dumme Leute nennen uns Wasserfeen. Aber das kommt bloß daher, daß sie den Unterschied zwischen einer bloßen Wasserfee und einem Elementargeist nicht kennen. Ein Elementargeist ist etwas viel, viel edleres als eine Wasserfee. Wasserfeen sind einfach bloß Feen, die im Wasser leben. Sie kennen sich ein wenig mit Magie aus, das stimmt. Sie sind unsterblich, na gut. Aber sie sind nicht sonderlich begabt. Es mangelt ihnen an den tiefen Leidenschaften der Elementargeister, und von allen Elementargeistern bin ich, das darf ich wohl sagen, der leidenschaftlichste. So war es schon immer, und so wird es auch bleiben.«
Sie blickte Jim neugierig an.
»Wie heißt du eigentlich, Liebster?«
»Äh – James«, sagte Jim.
»James…« Sie ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. »Ein eigenartiger Name, aber er hat Charme. James. Er klingt nicht so wie manche andere Namen, aber bestimmt ist es ein guter Name. James …«
»Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich ebenfalls gerne wissen, wie du heißt«, sagte Jim.
»Wie ich heiße?« fragte sie verwundert. »Ich habe geglaubt, jeder wüßte meinen Namen. Ich bin Melusine. Wie kommt es, daß du das nicht weißt? Schließlich bin ich die einzige, die es gibt. Es gibt keine anderen Melusinen.«
»Weißt du«, sagte Jim, »ich bin Engländer.«
»Ach, ein Engländer!« sagte Melusine. »Von England und den Engländern habe ich schon gehört. So einer bist du also. Aber so fremdartig kommst du mir eigentlich gar nicht vor – trotz des seltsamen Namens. Aber jetzt haben wir genug über Namen geredet.«
Sie schaute Jim mit ihren tiefblauen Augen an, und Jim hatte den Eindruck, sie steigere die Leuchtkraft ihrer Attraktivität von etwa fünfhundert Watt auf über tausend.
»Laß uns von wichtigeren Dingen reden«, säuselte sie. »Ach, Liebster, was wünschst du dir am meisten auf der Welt?«
Sie steigerte die Leuchtkraft um weitere fünfhundert Watt.
Jim schloß verzweifelt die Augen.
Nein! dachte er. Ich darf nicht. Ich will nicht auf immer und ewig hierbleiben und einen Elementargeist lieben. Ich will nach Hause zu meiner Burg, ich will zurück zu Angie und hin und wieder einen Oger töten, einen Prinz befreien oder was auch immer… Was denke ich mir da eigentlich zusammen? Jedenfalls darf ich nicht. Wenn ich einmal schwach werde, dann werde ich wieder schwach werden und könnte allmählich Gefallen daran finden. Dann bleibe ich womöglich für immer hier am Grund des Sees. Und was dann? Wenn sie nun meiner überdrüssig wird, so wie sie der Männer überdrüssig geworden sein muß, in die sie sich bestimmt von Zeit zu Zeit verliebt hat? Wahrscheinlich stellt sie unaussprechliche Dinge mit ihnen an. Ich muß hier weg. Angie, hilf mir!
»Ich habe Kopfschmerzen«, sagte Jim schwach.
19
Er hätte nicht gedacht, daß es funktionieren würde; doch das tat es. Nachdem er von Kopfschmerzen gesprochen hatte, war Melusine überwältigend fürsorglich geworden und hatte darauf bestanden, daß er sich hinlegte und schlief. Für alles andere hätten sie schließlich alle Zeit der Welt.
Jim überlegte, daß es durchaus sein könne, daß ihre Attraktivitätsmagie sogar bei ihr selber wirkte, so daß sie wirkliche Liebe verspürte, wenn sie meinte, sie sei verliebt, und bereit war, sich für ihren Geliebten aufzuopfern. In dieser Welt, wo er die Erfahrung gemacht hatte, daß jemand, der eben noch ausgesprochen sanft und liebevoll gewesen war, von einem Moment zum anderen ausgesprochen böse werden konnte, während seine Mitmenschen den Widerspruch entweder nicht wahrnahmen oder sich fraglos damit abfanden, wunderte ihn gar nichts mehr. Melusine hatte ihn allein gelassen, und er hatte geschlafen.
Als er erwachte, war er immer noch allein. Allerdings tauchten kurz darauf ein paar der kleinen Fische auf,
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