Drachenritter 02 - Der Drachenritter
zusehen, wie er versinkt.«
Auf einmal lachte sie, ein hohes, mädchenhaftes Lachen.
»Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn ein ausgewachsener Drache unmittelbar auf die Schlammzone fällt? Das kommt zwar nur äußerst selten vor, aber kannst du es dir vorstellen?« fragte Melusine. »Sie versinken auf der Stelle. Du solltest mal sehen, was für ein Gesicht sie dabei machen – das heißt, wenn man bei ihnen überhaupt von einem Gesicht sprechen kann!«
»O ja«, sagte Jim, »dabei fällt mir etwas ein. Ich habe dich noch gar nicht gefragt, was du eigentlich gegen Drachen hast.«
»Nun«, sagte Melusine, »zum einen sind sie der Unterwasserwelt so fern, wie man sich nur vorstellen kann. Sie verbringen nicht einmal die meiste Zeit an Land, sondern in diesem schrecklichen Zeug, das Luft genannt wird. Nicht, daß Luft so schlecht wäre. Ich kann sie natürlich atmen, aber sie kann schon sehr übel sein, trocken, sauer und stickig.«
Sie hatten die Schlammzone bereits hinter sich gelassen und gelangten nun zu einem Gebiet voller Furchen und Erhebungen, die überwiegend zum Ufer hin verliefen. Melusine zeigte ihm die Perlenmuscheln – die sich auf ihren Befehl hin alle bereitwillig öffneten und ihre Weichteile verdrehten, so daß man die Perlen sah. Jim bewunderte sie gebührlich, dann betrachtete er eingehend die unterschiedlichen Wasserpflanzen, deren Namen Melusine ihm nannte.
Anfangs war ihnen der Schwarm kleiner Fische gefolgt, der sich die meiste Zeit in der Nähe des Palasts aufhielt, allerdings waren sie zurückgeblieben, kurz nachdem Melusine und Jim auf die Schlammzone hinausgeschwommen waren. Die Fische, die man jetzt sah, waren unterschiedlich groß, darunter auch ein paar mächtige Hechte. Einen davon schätzte Jim auf über ein Meter dreißig. Er schwamm auf Melusine zu, vollführte in der Wasser-Luft eine Art Verbeugung, dann schwamm er wieder davon, nachdem Melusine mit ihm gesprochen und ihn getätschelt hatte.
Schließlich wandte Melusine sich um.
»Ist das alles nicht wundervoll?« seufzte sie, während sie an Jims Seite am Grund des Sees dahinglitt.
»Das ist es«, pflichtete Jim ihr mit Gefühl bei. Das Gefühl war durchaus wohlbegründet, denn er hatte festgestellt, daß es hier viel leichter wäre, an Land zu klettern, als an den fast senkrecht abfallenden Steilwänden, wo Melusine ihn ins Wasser gezogen hatte.
Wenn es ihm gelang, von Melusine wegzukommen und bis hierher vorzudringen, dann dürfte es ihm keine Mühe bereiten, bis zur Wasseroberfläche zu klettern und wieder an Land zu kommen. Anschließend würde er die Beine in die Hand nehmen und machen, daß er von hier fortkam. Nach einer Weile, wenn er sicher war, daß sie die Anwesenheit eines Drachen nicht mehr spüren könnte, würde er sich wieder verwandeln und sich fliegend in Sicherheit bringen.
Während sie über die Schlammzone zum Palast zurückkehrten, zermarterte er sich den Kopf nach einer Lösung für den magischen Befehl – die Bezeichnung Zauberspruch erschien ihm mittlerweile völlig fehl am Platz –, der ihn bei seiner Flucht mit Luft umgeben würde. Während Melusine ihn begeistert herumgeführt hatte, hatte er bereits ein paar kleinere Tests angestellt und den Abstand zu ihr mutwillig vergrößert, um zu sehen, wie weit er sich von ihr entfernen konnte, bis die Umhüllung aus atembarer Luft, mit der sie ihn offenbar versorgte, verlorenging. Der kritische Abstand lag bei etwa vier Metern.
Andererseits hatte er im Palast auch dann noch weiteratmen können, nachdem sie ihn allein gelassen hatte. Und dann war da noch die eigenartige Tatsache, daß die Fische in dieser Atmosphäre umherschwammen, als handele es sich tatsächlich um Wasser.
Doch das war jetzt nebensächlich. Die Lösung für das Problem, wie er seine Magie einsetzen sollte, um unter Wasser atmen zu können, hatte in seiner Vorstellung soeben Gestalt angenommen.
Er brauchte etwas, das er aus eigener Erfahrung kannte – und auf einmal fiel es ihm ein, als er sich an ein Experiment erinnerte, das sie einmal im Chemieunterricht an der Highschool durchgeführt hatten. Dabei hatten sie Metallelektroden in gewöhnliches Wasser getaucht und eine elektrische Spannung angelegt. An beiden Elektroden bildete sich Gas, da das Wasser in seine beiden gasförmigen Bestandteile zerlegt wurde – in Wasserstoff und Sauerstoff.
Die Formel war ganz einfach gewesen.
2 H2O -› 2 H2 + O2
Dazu fiel ihm sogar ein kleiner Vers ein.
Ich bin eine
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