Drachenritter 02 - Der Drachenritter
O2-Elektrode, dünn oder fett Zeigt euch, ihr süßen Blasen, und seid nett!
Das war zwar grauenhafte Lyrik, half ihm aber dabei, sich vorzustellen, was er brauchte. Während sie so dahinglitten, streckte er verstohlen den Melusine abgewandten Arm aus; diese plapperte in einem fort und bekam nichts davon mit. An die Innenseite seiner Stirn schrieb er:
ICH -› O2-ELEKTRODE
Augenblicklich strömten Blasen aus seinen Fingerspitzen. Hastig schrieb er die Gleichung neu, wobei er diesmal die Seiten vertauschte. Der Blasenstrom versiegte.
Er seufzte erleichtert auf. Ein Problem weniger.
Jetzt mußte er nur noch eine Antwort darauf finden, wie er es anstellen sollte, den See zu verlassen, ohne daß Melusine es merkte.
Auf einmal wurde ihm bewußt, daß es im Moment drängendere Probleme gab. Er sollte sich lieber überlegen, wie er Melusines Absichten vereiteln könnte, die um so klarer zutage traten, je näher sie dem Zimmer mit dem großen Bett kamen. Noch einmal konnte er keine Kopfschmerzen vorschützen. Selbst wenn sie ihn daraufhin in Ruhe gelassen hätte, würde sie doch bestimmt Verdacht geschöpft haben. Schade, daß er nicht über die Möglichkeit verfügte, sie in einen tiefen Schlaf zu versetzen – oder sie zumindest so schläfrig werden zu lassen, daß sie den Gedanken an Sex eine Weile zurückstellte. Seine Gedanken kreisten hektisch um dieses Problem.
Das einzige, was ihm dazu einfiel, war, daß er Carolinus Trick, Wein in Milch zu verwandeln, um damit sein Magengeschwür zu behandeln, mittlerweile beherrschte. Zu den ersten kleinen Zauberkunststücken, die Jim ausprobiert hatte, nachdem Carolinus ihm gezeigt hatte, wie er sich von einem Drachen in einen Menschen verwandeln konnte und umgekehrt, hatte gehört, Wein in Milch zu verwandeln.
Jim mochte zwar keine Weintrauben, Milch dafür um so mehr. Milch war kein selbstverständlicher Bestandteil des Speiseplans von Malencontri. Eigentlich trank dort niemand Milch, auch nicht die Bediensteten, soviel er wußte. Wenngleich die Bewohner der Hütten, die zu seiner Besitzung gehörten, wahrscheinlich alles kauten oder schluckten, was überhaupt eßbar war, denn ihnen ging es vor allem darum, sich am Leben zu erhalten mit dem, was gerade zur Hand war.
Jedenfalls hatte er bislang noch nicht den Mut aufgebracht, in Malencontri Milch zu verlangen. Statt dessen hatte er zu Meister Carolinus Trick, Wein in Milch zu verwandeln, Zuflucht genommen.
Und hatte damit Erfolg gehabt.
Eigentlich war es ganz einfach. Warum das so war, verstand er mittlerweile besser. Er kannte bereits den Geschmack von Milch, und diesen Geschmack konnte er sich vorstellen. Außerdem kannte er den Geschmack von Wein. Daher war es ganz leicht, an die Innenseite seiner Stirn zu schreiben:
WEIN -› MILCH
Und der Inhalt des Weingefäßes, das er gerade in Händen hielt, wurde weiß, und wenn er davon kostete, war Milch darin.
Mittlerweile hatte er begriffen, daß ihm die Verwandlung deshalb so leicht fiel, weil er sich Wein und Milch so deutlich vorstellen konnte. Und wenn Melusine nur Milch getrunken hätte, so hätte er diese in ihrem Magen in Wein verwandeln und sie damit betrunken machen können. So betrunken, daß sie das Interesse an leidenschaftlichen Umarmungen verlor. Wenn sie überhaupt irgendwelche Gemeinsamkeiten mit den Menschen des Mittelalters aufwies, würde er sie allerdings mit Wein abfüllen müssen, bis sie tatsächlich schlappmachte.
Bedauerlicherweise war er sich sicher, daß sie keine Milch trank. Hier unten im See gab es bestimmt keine Kuh – oder sonst einen Milchlieferanten. Einige Meeressäugetiere gaben Milch; dies hier war jedoch ein Süßwassersee.
Mittlerweile waren sie wieder im Palast angelangt und näherten sich dem Bett. Sie nahmen darauf Platz.
»Liebster«, sagte Melusine, ihn verliebt anschauend, »du hast vollkommen recht. Jetzt, da ich weiß, daß du dich für meinen See interessierst, liebe ich dich noch mehr.«
»Das ist gut«, sagte Jim. »Ich meine, ich bin sehr froh darüber, weil ich nämlich genauso empfinde.«
»Ach, wirklich?« fragte sie, und ihre magische Attraktivität schnellte um mindestens tausend Watt in die Höhe.
Jim zermarterte sich den Kopf nach einem Ausweg. Der Ausflug rund um den See hatte ihn lediglich bestärkt in seiner ursprünglichen Überzeugung, daß er Melusine hörig werden und niemals den Mut und den Willen aufbringen würde, sie zu verlassen, wenn er schwach wurde. Unter dem gewaltigen
Weitere Kostenlose Bücher