Drachenritter 02 - Der Drachenritter
zumindest von Magie beeinflußt. Versteht Ihr mich?«
Jetzt blickte er Jim gerade in die Augen.
»Äh – ich glaube, ja«, sagte Jim. »Ihr meint, am Anfang sei die Magie für alles als Erklärung herangezogen worden, alles sei mittels Magie geschehen.«
»Nicht als Erklärung!« grollte Carolinus. »Alles war Magie. Im Lauf der Zeit verloren jedoch diese Dinge, die zunächst zum Allgemeinwissen gehörten, von jedermann angewendet wurden und an denen nichts Geheimnisvolles war, ihre magische Aura. Und so bildete sich die Vorstellung heraus, es gäbe magische Dinge und nicht-magische. Allerdings wechselten sie eins nach dem anderen auf das nicht-magische Gebiet über. Deshalb müßt Ihr Euch vorstellen – Ihr und ich, die wir mit der Magie umgehen, James –, alles sei im Grunde immer noch Magie.«
»Ich … ja«, sagte Jim.
»Sehr schön«, fuhr Carolinus fort. »Dann wollen wir uns vorstellen, wie es war, als sich zum erstenmal jemand mit Fellen behängte und als jemand ein Kleidungsstück in die Hände bekam, das aus zwei zusammengenähten Fellen bestand. Und wie er es eine Zeitlang glücklich und stolz trug; bis die Nähte aus irgendeinem Grund rissen und die beiden Felle auseinanderfielen. Daraufhin brachte er sie zu der Person zurück, von der er die zusammengenähten Felle bekommen hatte, oder zu der Person, von der er vom Hörensagen wußte, daß sie die Felle zusammengefügt hatte, und das war, wie sich herausstellte, die alte, weise Frau des Stammes.«
Er brach ab und blickte Jim mit ernster Miene an.
»Damals hatte jeder Stamm eine weise Frau. Ohne ging es nicht.«
»Ja, ja«, meinte Jim, sich die Oberarme massierend. »Redet nur weiter.«
»Die Frau nahm die Felle entgegen«, fuhr Carolinus fort, »und sagte: ›Ja, ich kann sie wieder zusammenfügen. Aber das ist geheime Magie. Ich werde sie mit in meine Höhle nehmen, aber du darfst mir auf keinen Fall folgen und mir dabei zuschauen. Falls du es doch tust, soll dir der Blitz beim nächsten Gewitter die Haut in Fetzen von den Knochen reißen ! ‹«
Jim war soeben eingefallen, daß er die Kniehose, die bloß gedehnt worden, aber nicht zerrissen war, im Prinzip noch tragen konnte. Er zog sie an und hüllte sich notdürftig in die Fetzen von Hemd und Wams. Es war nicht viel, machte die Kälte aber ein wenig erträglicher.
»Sprecht weiter«, sagte Jim und betrachtete seine Stiefel, die bedauerlicherweise arg mitgenommen waren. Hineinschlüpfen konnte er zwar, doch es stand völlig außer Frage, daß sie ihm beim ersten Schritt von den Füßen abfallen würden.
»Und so«, meinte Carolinus vergnügt, von seinem Vortrag völlig in Anspruch genommen und ohne Jim zu beachten, »nahm die weise Frau die Felle mit in die Höhle, brachte sie nach einer Weile wieder heraus und – siehe da, sie waren wieder zusammengefügt! Der Mann bezahlte sie, und beide waren es zufrieden.«
Jim suchte noch immer nach den übrigen Fragmenten seiner Kleidung, um sich noch ein wenig besser vor der Witterung zu schützen.
»Was meint Ihr wohl, was passiert war?« Als Carolinus Stimme wie eine Bombe in seinem Ohr explodierte, riß er den Kopf hoch und stellte fest, daß ihn der Magier aus nächster Nähe anfunkelte.
»Nun, ich… äh… sie hat sie wieder zusammengenäht«, sagte Jim.
»Genau!« rief Carolinus. »Aber damals war Nähen, wie Euch nun klar sein dürfte, ein magischer Akt. Sie bohrte Löcher in das Fell, zog Sehnen hindurch und schuf so die magische Voraussetzung dafür, daß die beiden Felle zusammenblieben. Habt Ihr das verstanden?«
»Ja«, antwortete Jim, auf einmal wieder ganz bei der Sache.
»Und was«, fuhr Carolinus in nahezu liebenswürdigem Ton fort, »bedeutet das nun für Euch? Ja, in der Enzyklopädie der Nekromantie sind Informationen enthalten, die es Euch erlauben oder mir ermöglichen würden, Euch darin zu unterweisen, die Kleiderfetzen mittels Magie wieder zusammenzufügen. Der Zauberspruch müßte allerdings bei jedem Sonnenaufgang erneuert werden. Das wäre problematisch. Ihr wärt jeglicher Art von Gegeneinfluß seitens anderer magischer Entitäten ausgeliefert. Kurz gesagt, das wäre keine ideale Lösung. Denn, mein lieber James, die Moral dessen, was ich Euch erzählt habe, ist folgende: die beste Magie ist immer noch die, die aus dem Reich der Magie in das Reich des Alltäglichen übergegangen ist!«
Er brach ab und blickte Jim skeptisch an.
»Dabei geht es um erheblich mehr, als bloß darum, Euch wieder zu bekleiden«,
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