Drachenritter 02 - Der Drachenritter
starkknochiges Gesicht mit einem kurzgeschnittenen, graugesträhnten Bart zum Vorschein kamen. Vor König Jean kniete er nieder.
»Euer Majestät«, sagte er, ohne Jim, Brian und die anderen zu beachten. »Verzeiht mir, daß ich nicht schon eher gekommen bin, doch die Kunde, daß Ihr Euch einem Engländer ergeben hättet, hat mich gerade erst erreicht. Wenn Ihr erlaubt, mich vorzustellen: Ich bin Robert de Clifford, Graf von Cumberland und Befehlshaber der englischen Streitkräfte. Wir bedauern, wenn ein solcher Monarch und Ritter wie Ihr gezwungen ist, sich zu ergeben, doch stellt sich jetzt eine Frage. Seid Ihr als englischer Gefangener nun bereit, das Schlachtfeld zu räumen und die Engländer als Sieger anzuerkennen, wie es dem Kriegsrecht entspricht?«
»Erhebt Euch, Graf Robert«, antwortete König Jean trocken. »Aber Ihr befindet Euch im Irrtum. Ich habe mich keinem Engländer ergeben, sondern einem Franzosen – dem Comte d'Avronne, den Ihr hier an meiner Seite seht –, und lediglich den Rittern meiner persönlichen Leibgarde befohlen, die Waffen niederzulegen. Ich sehe keinen Grund, weshalb ich das Schlachtfeld räumen sollte, solange der Ausgang noch offen ist.«
Er blickte wieder aufs Schlachtfeld hinaus, und alle $ anderen taten es ihm nach. Der Ausgang der Schlacht war tatsächlich noch ungewiß. Soweit das Auge reichte, wurde Mann gegen Mann und in Gruppen gekämpft. Außer in einigen Einzelfällen ließ sich unmöglich sagen, welche Seite siegen würde.
Der Graf von Cumberland hatte sich erhoben und machte ein finsteres Gesicht.
»Euer Majestät werden schwerlich einen Nutzen darin erkennen können, wenn die Kämpfe fortgeführt werden«, sagte er, »da dies nur den Tod vieler Franzosen bedeuten kann.«
»Und vieler Engländer, Graf Robert«, sagte König Jean. »Wer kann in diesem Moment schon sagen, wer mehr Leute verlieren wird? Oder welchen Ausgang die Schlacht schließlich nehmen wird? Am Ende muß eine Seite ihre Gegner vom Schlachtfeld vertreiben. Soweit ist es noch nicht; ich weiß nicht, wie Ihr Engländer es haltet, aber wir Franzosen geben keine Schlacht verloren, solange über den Ausgang noch Zweifel bestehen.«
»Aber Euer Majestät…«, setzte Graf Robert an, als es zu einer weiteren unerwarteten Unterbrechung kam.
Sie näherte sich in Gestalt eines sehr attraktiven jungen Mädchens, das mit einem leichten, durchscheinenden grünen Gewand bekleidet war und leichtfüßig durch die Gasse, welche die umstehenden Soldaten für den Graf von Cumberland geöffnet hatten, auf die Fahne zugerannt kam. Wie Jim zu seinem Bedauern jedoch sogleich feststellte, wurde die Schönheit des Mädchens für ihn von der Tatsache beeinträchtigt, daß sein Name Melusine lautete; und sie kam geradewegs auf ihn zu.
Er versuchte ihr auszuweichen, doch sie packte ihn und schlang die Arme um ihn.
»Ach, Geliebter!« rief sie. »Endlich habe ich dich gefunden. Wie konntest du nur glauben, daß ich jemand so hübschen wie dich jemals freigeben würde! Wir kehren jetzt zu meinem See zurück! Du gehörst mir!«
»Nein, das tut er nicht«, sagte Carolinus. »Ihr könnt ihn nicht haben.«
Mit flammenden Augen wirbelte sie zu Carolinus herum – als sie jedoch sah, wen sie vor sich hatte, wurde ihr Blick sogleich milder. Sie vollführte einen Knicks.
»Magier«, sagte sie mit schmeichelnder Stimme, »es ist mir eine Ehre, Euch zu treffen. Ihr seid auch sehr stattlich. Aber ich weiß, daß Ihr vollkommen unerreichbar für mich seid. Weshalb sollte ich James nicht haben können?«
»Aus demselben Grund, weshalb Ihr mich nicht haben könnt«, antwortete Carolinus. »Er ist ebenfalls ein Magier.«
»Ein Magier!«
Melusines Augen weiteten sich, ihre Arme fielen von Jims Hüfte herab, und sie wich zurück und starrte ihn an. »Und du hast mir das die ganze Zeit verschwiegen, James! Wie konntest du mir das bloß antun?«
»Tja…«, meinte Jim, ohne zu wissen, was er darauf erwidern sollte.
Melusine weinte anmutig in ein zartes grünes Taschentuch hinein, das sie irgendwo unter ihrem Gewand hervorgeholt hatte.
»Mich so zu verführen, um mich dann so grausam zu enttäuschen!« schluchzte sie. »Wie konntest du mir das bloß antun, James!«
»Nun ja…«, setzte Jim hilflos an.
»Also gut.« Melusine trocknete sich ziemlich energisch die Augen, worauf das Taschentuch wieder verschwand. »So ergeht es mir jedesmal. Wie es scheint, muß ich mich halt nach einem neuen Liebsten umsehen – ach, was für ein
Weitere Kostenlose Bücher