Drachenritter 02 - Der Drachenritter
ausgebreitet und ihren Einfluß womöglich auch auf uns Klippenbewohner ausgedehnt. Wir alle hätten enden können wie… wie Secohs Leute.«
Die anderen Drachen bewegten sich unruhig, doch keiner sagte etwas.
»Und daraus folgt nun«, sagte Gorbash, »daß Jim und natürlich auch Secoh das Recht haben, gehört zu werden. Was wir dann entscheiden werden, ist wieder etwas anderes. Zunächst aber sollten wir alle ihnen zuhören. Vielleicht planen die Dunklen Mächte ja von Frankreich aus einen Schlag gegen uns. Habt ihr daran schon einmal gedacht?«
Unter den Klippendrachen erhob sich unruhiges Gemurmel.
»Das stimmt!« rief Secoh. »Und wir wissen alle, daß wir persönlich nichts gegen die Dunklen Mächte aus richten können. Allein die George und die Magier haben es geschafft, sie empfindlich zu treffen. Aber zum Glück gibt es einen unter uns, der nicht nur ein Drache, sondern auch ein Georg ist, und nicht nur ein Georg, sondern auch ein Magier.«
Er hüstelte verlegen.
»Das heißt, ein angehender Magier«, setzte er eilends hinzu, »aber gleichwohl jemand, der mit Magie umzugehen versteht.« Er wandte sich an Jim. »Zeigt es ihnen, James. Verwandelt Euch in einen Georg und dann wieder in einen Drachen.«
Jim dankte im stillen seinem Glücksstern dafür, daß Secoh ausgerechnet auf das eine Kunststück verfallen war, das er am häufigsten geübt hatte. Abgesprochen hatten sie das nicht. Und wenn Secoh ihn nun gebeten hätte, ein Tonne Gold oder etwas Ähnliches herbeizuzaubern?
»Also gut«, sagte Jim mit möglichst bedächtiger und feierlicher Drachenstimme. Er legte eine dramatische Pause ein; und dann nahm er wieder seine menschliche Gestalt an.
Er mußte sich zusammenreißen, sonst wäre er zusammengezuckt. Denn eine unmittelbare Folge der Verwandlung war, daß sämtliche Drachen in seiner Umgebung plötzlich viermal so groß wie vorher wirkten. Unvermittelt war er sich bewußt, daß er ein sehr einsamer, hervorragend eßbarer Mensch war, umringt von fünfzig bis hundert Drachen, die ihn mit einem einzigen Zuschnappen ihrer Kiefer in zwei Teile hätten zerlegen können.
Er hatte sich eine treffende Bemerkung zurechtgelegt, um die Drachen zu beeindrucken, solange er noch Menschengestalt hatte. Doch nun wurde ihm auf einmal klar, wie nichtig seine relativ hohe Stimme an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt geklungen hätte. Daher wartete er noch einen – hoffentlich eindrucksvollen – Moment ab, dann nahm er wieder die wohltuend große Drachengestalt an, in der er es zumindest an Körpergröße mit den größten anwesenden Drachen aufnehmen konnte.
Die Zuschauer taten in den tiefsten Tönen ihr Erstaunen kund. Es bestand keinerlei Zweifel, daß Jim sie beeindruckt hatte. Schließlich legte sich das allgemeine Grollen.
»Magier«, erkundigte sich ein Drache, der auf halber Höhe zu Jims Linken saß, in respektvollem Ton, »wie habt Ihr eigentlich herausgefunden, daß die Dunklen Mächte uns von Frankreich aus anzugreifen gedenken?«
»Ja«, warf ein anderer ein, ehe Jim antworten konnte. »Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb sie es auf uns Klippendrachen abgesehen haben?«
»Seid nicht albern!« fauchte rechts von Jim ein Drache. »Was glaubt ihr wohl, worauf sie es abgesehen haben? Auf unsere Schätze!«
»Die Dunklen Mächte haben keine Verwendung für unsere Schätze!« warf ein anderer ein; und abermals mündete das Gemurmel in eine lautstarke Auseinandersetzung, die sich nun darum drehte, ob die Dunklen Mächte für Gold und Juwelen nun Verwendung hätten oder nicht.
»Fragen wir doch den Magier«, warf die respektvolle Stimme ein, die sich endlich hatte Gehör verschaffen können.
Es wurde still.
»Nun?« wurde nach einer Weile gefragt. »Sind sie nun hinter unseren Schätzen her oder nicht, Magier?«
Jim wurden gleichzeitig zwei Dinge klar. Erstens, daß es die Lage erheblich vereinfacht hätte, wenn er mit ›ja‹ geantwortet hätte. Die Antwort auf die Frage kannte er nicht, doch vermutete er stark – und eigentlich war er sich sogar sicher –, daß die Dunklen Mächte kein Interesse am Geschmeide der Drachen hatten.
»Ich glaube nicht«, sagte er.
Abermals sprach alles durcheinander, und diesmal triumphierten die, welche niemals geglaubt hatten, daß die Dunklen Mächte sich für die Schätze der Drachen interessieren würden. Gorbash kräftige Stimme brachte sie zum Schweigen.
»James!« brüllte er. »Vielleicht solltet Ihr uns einmal genau erklären, weshalb Ihr
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