Drachenritter 02 - Der Drachenritter
Schmuckstück darin verstaut hatte, nahm Secoh Jim seine große Perle aus der Hand, legte sie behutsam obenauf und verschnürte den Sack.
»Nun«, meinte Jim, denn er hatte das Gefühl, etwas müsse gesagt werden, »ich danke Euch Klippendrachen, jedem einzelnen von Euch. Ich werde gut auf die Schmuckstücke aufpassen und sie Euch vollzählig zurückbringen.«
Die Antwort erschöpfte sich in einem schweren kollektiven Seufzer. Die Drachen, Gorbash eingeschlossen, betrachteten ihn melancholisch; und begleitet von Secoh stieg er an der Seite des Amphitheaters hoch, die er heruntergekommen war, und verließ es durch dieselbe Öffnung, die sie beim Betreten benutzt hatten. Bald darauf war er wieder in der Luft und befand sich auf dem Rückweg nach Malencontri, wobei er sich den Sack mit einer Pranke an die geschuppte Brust drückte.
Secohs Stimme ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken.
»Jim!«
Jim wandte den Kopf und sah Secoh neben sich dahingleiten.
»Ich biege hier ab«, sagte Secoh. »Ihr habt jetzt Euren Paß. Ich habe gewußt, daß Ihr es schaffen würdet. Das war großartig, wie Ihr damit gedroht habt, sie in Käfer zu verwandeln. Wäre ihnen ganz recht geschehen! Jedenfalls wünsche ich Euch in Frankreich viel Glück!«
Daraufhin drehte er ab und ließ Jim allein zu seiner Burg zurückfliegen.
Die Bemerkung des Sumpfdrachens war nicht geeignet gewesen, Jims Schuldgefühle zu beschwichtigen. Eine hartnäckige innere Stimme wollte ihm einreden, er habe sich die Paß-Juwelen nicht nur unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verschafft, sondern obendrein dadurch, daß er den Klippendrachen eine Heidenangst eingejagt hatte.
Er verdrängte die Stimme und sagte sich, daß er das schon irgendwann wiedergutmachen würde. Auf einmal fiel ihm ein, daß Smrgol damals am Verhaßten Turm versucht hatte, für sich, Secoh, Carolinus, Brian, Dafydd und die anderen Verstärkung herbeizuholen, und daß die Klippendrachen nicht gekommen waren. In gewisser Weise war es nur gerecht, daß sie ihm zur Strafe für ihre damalige Weigerung, ihnen zu helfen, ihre Juwelen borgten.
Trotzdem fühlte er sich immer noch nicht besser.
Nicht lange, und er sauste in die Tiefe und setzte auf dem Turm über dem Palas auf, unmittelbar gegenüber der Kemenate, die ihm und Angie als Schlafgemach diente. Der Bewaffnete auf dem Turm salutierte, nachdem er zunächst bei Jims Annäherung den Speer angelegt hatte. Wie jedem anderen in der Burg war es auch ihm bewußt, daß Jim Drachengestalt angenommen hatte, und er war entschlossen, sich von dem großen, mit Fangzähnen bewehrten Ungeheuer, das unmittelbar vor ihm landete, nicht einschüchtern zu lassen.
»Schon gut«, sagte Jim. »Laßt mich hier oben allein.«
Der Bewaffnete entfernte sich sogleich über die Treppe und begab sich an der Kemenate vorbei zum Palas.
Der Grund, warum er den Mann zum Gehen aufgefordert hatte, wäre den Burgbewohnern kaum verständlich gewesen; andererseits war das auch nicht nötig. Die Sache war nämlich die, überlegte Jim, als er sich von einem Drachen in einen Menschen verwandelte und behutsam den Sack mit den Juwelen hochhob, daß er sich nicht einmal vor den eigenen Leuten nackt zeigen wollte.
Die mittelalterliche Einstellung gegenüber der Nacktheit war von Gleichgültigkeit geprägt. Offenbar meinten die Leute, Kleider seien zum Wärmen da und dienten der Bequemlichkeit; und damit hatte es sich auch schon. Schamgefühl hatten sie noch keines entwickelt. Es hätte ihnen nicht das mindeste ausgemacht, wenn Jim die meiste Zeit über unbekleidet herumgelaufen wäre. Dies hätte man als Spleen eines Lords betrachtet. Jim allerdings sah das anders.
Er trug die Juwelen in die Kemenate hinunter, stellte sie in eine Ecke und bedeckte sie mit ein paar Fellen – wenngleich er keinen Moment daran zweifelte, daß sie in seinem Zimmer auf jeden Fall sicher waren. Erstens hätte es keiner der Burgbewohner gewagt, Hand an seine Besitztümer zu legen, da sie vor ihm als Magier eine ebensolche Scheu hegten wie die Drachen. Zweitens würde ein Sack dieser Größe, gefüllt mit beinahe unvorstellbaren Schätzen, jeden Gelegenheitsdieb zunächst einmal innehalten lassen.
Jim zog Hose, Hemd, Wams und Stiefel an; dann eilte er die Wendeltreppe hinunter zum Palas.
Dort angekommen, gewahrte er zu seiner Überraschung ihren zweiten unerwarteten Besucher, der Angie gegenüber am Kopfende der hohen Tafel saß.
Carolinus.
»Magier!« rief er glücklich und eilte
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