Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
sogenanntes Streitroß, in Augenschein nahmen.
Sowohl Brian als auch Chandos hatten getrunken, und mit der fröhlichen Boshaftigkeit ihresgleichen hatten sie darauf bestanden, daß er augenblicklich einen großen, vollen Becher Wein mit ihnen leerte. Er hatte die Flüssigkeit mit Mühe hinunterbekommen, erinnerte sich jetzt aber daran, daß dieses Mittel durchaus hilfreich gewesen war. Er beäugte den Weinkrug, der vor ihm auf dem Tisch stand, und schauderte.
Nein, das war das Leben nicht wert. Er würde Einsiedler werden und von Wasser und trockenem Brot leben. Er brauchte Hilfe.
Er blickte zu dem Ledervorhang hinüber, der den Eingang zum Nebenzimmer verhüllte.
»Angie!« krächzte er.
Aus dem anderen Zimmer kam keine Antwort, und Angie tauchte auch nicht in der Tür auf. Er rief noch einmal, erhielt aber wiederum keine Antwort. Mit gequälter Miene bückte er sich und griff nach dem Blatt Papier, das neben seiner Matratze gelegen hatte. Er hob es auf, rieb sich die Augen und vermochte es schließlich mit einiger Anstrengung zu lesen.
Jim!
Wenn Du an den nächsten Abenden noch einmal so lange aufbleiben willst, solltest Du bitte dafür sorgen, daß Brian Dich für die Nacht bei sich aufnimmt.
Nachdem Du letzte Nacht zurückgekommen bist, hat keiner von uns mehr ein Auge zugetan - außer Robert. Immer, wenn wir gerade eingenickt waren, hast Du wieder angefangen zu schnarchen und uns geweckt. Ich habe Dich noch nie in meinem Leben derart schnarchen hören. Robert, der kleine Schatz, hat das Ganze irgendwie verschlafen. Aber wir anderen sind alle furchtbar erschöpft, und Geronde war so freundlich, uns in ihrem Zimmer aufzunehmen, damit wir ein wenig Schlaf nachholen können. Sie wird den ganzen Tag lang draußen sein.
Wenn Du irgend etwas möchtest, vergiß nicht, daß Du den Wachposten vor der Tür danach schicken kannst. Ich werde ungefähr eine Stunde vor Mittag zurück sein, um mich zum Essen umzukleiden. Wenn Du Zeit hast, werden wir uns dann sehen.
Es tut mir leid, Jim, aber Du schnarchst wirklich. Wenn Du die ganze Nacht daliegen und dir selber zuhören müßtest, könntest Du das auch nicht aushalten.
Herzlichst,
Angie Jim ließ das Papier seinen Fingern entgleiten. Von der Tür kam ein Kratzen. Er schloß die Augen gegen den Lärm.
»Was ist denn?« rief er, was ihm einen stechenden Schmerz in den Schläfen eintrug.
Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet, und der Bewaffnete, der Dienst tat, schob sein Gesicht hindurch.
»Sir Giles ist hier, Mylord«, sagte er. »Er war schon mehrmals hier, aber er wollte Euch nicht stören. Kann er jetzt hineinkommen?«
»Wer? Giles? sagte Jim, obwohl jedes Wort ihn große Anstrengung kostete und von einem zusätzlichen Kopfschmerz begleitet wurde. »Laßt ihn hinein.«
Die Tür öffnete sich, und Giles trat ein. Er trug eine große Zinnflasche, die mit einem grünen Tuch verschlossen war. Dann ging er auf leisen Sohlen zum Tisch und stellte sie vorsichtig ab.
»Setzt Euch«, sagte Jim, der sich nun wieder auf seine Manieren besann.
Giles setzte sich. Er sah bis auf den Arm, den er immer noch in der Schlinge trug, sehr gut aus - aber besorgt.
»Wir waren letzte Nacht alle ziemlich lange auf«, sagte er mit rücksichtsvoll leiser Stimme, während er gleichzeitig interessiert eine der leeren Wände des Zimmers betrachtete und Jims Blick mied.
Jim sah sich in einer Zwickmühle. Was würde mehr weh tun, zu nicken oder einfach ja zu sagen?
»Ja«, sagte er. Er hatte sich natürlich geirrt. Das Reden war offensichtlich die schlechtere Wahl gewesen.
»Alle reden heute davon, wie schön Ihr gestern nacht gesungen habt«, sagte Giles, der Jim nun mit ernster Miene betrachtete, »und was für eine Ehre es war, mit Euch zu sprechen. Viele haben sich Sorgen gemacht, daß Ihr Euch vielleicht zu sehr ermüdet hättet, als Ihr -ähm - das letzte Lied nicht mehr beenden konntet und Hilfe brauchtet, um den Saal zu verlassen. Lady Angela hat uns heute morgen erklärt, daß der gestrige Abend auf einen sehr anstrengenden Tag folgte, an dem Ihr dringende magische Pflichten versehen hättet. Sie sagte auch, daß Ihr Euch danach normalerweise mindestens vierundzwanzig Stunden ausgeruht hättet. Wir alle verstehen nun natürlich, daß Ihr heute ruhen müßt; und wir alle machen uns Sorgen um Euch und hoffen, daß Ihr bald Eure Kraft wiedererlangen werdet.«
»Oh«, sagte Jim tapfer und ohne auf seine Kopfschmerzen zu achten. Ein Ritter konnte natürlich keinerlei
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