Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
sagte Tom. »Ich dachte, das ginge nicht viel anders, als ein Jagdhorn zu blasen.«
»O nein, Mylord«, sagte Tom. »Beim Kuhhorn wird der Ton durch das Mundstück erzeugt. Bei der Trompete bringt der Spieler den Ton durch seine Lippen auf dem offenen Mundstück hervor.«
»Oh«, sagte Jim noch einmal.
Plötzlich kam ihm in den Sinn, daß er diese eine Silbe vielleicht ein wenig überstrapazierte. Aber wie dem auch sei, wenn der Jäger recht hatte, würde Jim dafür sorgen müssen, daß die Trompete auf magische Weise geblasen wurde. Aber trotzdem brauchte er jemanden, der im Sattel saß und sie an die Lippen hielt. Er hatte ohnehin den Plan gefaßt, für den Herold das Reden zu übernehmen. Er brauchte lediglich einen ordnungsgemäß gekleideten Mann auf einem Pferd - und selbst die Kleidung, den Heroldsrock, konnte er auf magischem Wege beschaffen.
»Nun, dann wollen wir uns darüber keine Gedanken mehr machen«, sagte er. »Aber wen wißt Ihr in der Burg oder auf den Ländereien von Malencontri, der noch recht jung ist - sagen wir zwischen fünfzehn und zwanzig - und reiten und aufrecht im Sattel sitzen kann? Es müßte jemand sein, der aussieht wie ein Herold, wenn man ihn entsprechend kleidet und auf ein Pferd setzt.«
»Nun, da wäre Ned Dunster, Mylord«, sagte Tom. »Er ist ein kluger Bursche. Er kann sich Befehle gut merken. Wenn ich mich recht entsinne, ist er jetzt siebzehn Jahre alt, aber er könnte auch ein Jahr jünger sein. Soll ich ihn zu Euch schicken, Mylord?«
»Wenn Ihr so freundlich sein wollt, Tom«, sagte Jim. »Übrigens, ich habe mich gefreut, von diesem neuen Wurf zu hören. Wenn ich je dazu kommen sollte, das Rudel einzusetzen, müßten wir die eine oder andere interessante Jagd veranstalten können.«
Er kam sich vor wie der schäbigste aller verlogenen Politiker, als er dies sagte, aber die Angehörigen von Toms Klasse waren es gewohnt, daß Leute von Jims Klasse alles mögliche versprachen und dann vollkommen vergaßen - und er brauchte jemanden, der die Rolle des Herolds übernahm, wenn er Mnrogar den Turnierzuschauern vorstellte. Als er sah, wie Toms Gesicht unter diesem Hoffnungsschimmer aufleuchtete, meldete sich sein Gewissen noch deutlicher.
»Ich werde ihn sofort zu Euch schicken, Mylord«, sagte Tom und eilte davon.
Wenige Minuten später war er mit Ned Dunster wieder zurück, einem jungen Burschen mit klaren Augen, der nur wenige Zoll größer war als Tom Huntsman selbst. Ned stand offensichtlich auf Messers Schneide zwischen dem Ende der Jugend und dem Eintritt ins Erwachsenenleben.
Er war von kräftigem Körperbau, mit geradem, feinem Haar vom gleichen Braun wie seine Augen, einem quadratischen Kinn und einem offenen Gesicht, das eine natürliche Fröhlichkeit ausstrahlte, wie er es nur bei wenigen Menschen bisher erlebt hatte.
Der Frohsinn umgab ihn wie eine Aura. Nicht dieser leicht schelmische Frohsinn, den Jim des öfteren bei vielen Menschen des Mittelalters hatte aufflackern sehen, sondern eine Art ständigen Staunens, steter Freunde - gepaart mit Überraschung - über alles um ihn herum. Es war, als wäre die Welt für ihn selbst nach fast zwei Jahrzehnten Leben immer noch voller wundersamer und aufregender Entdeckungen, die ihm noch bevorstanden. Nun blieb er mit Tom Huntsman vor der hohen Tafel stehen.
»Mylord«, sagte Tom, »das ist der Junge aus dem Hundezwinger, von dem ich Euch erzählt habe, Ned Dunster.«
»Mylord.« Ned nahm seine überaus schmuddelige Kopfbedeckung ab und versuchte unbeholfen, eine Verbeugung zuwege zu bringen.
»Ned«, sagte Jim, »Tom Huntsman erzählte mir, daß du ein Pferd reiten kannst.«
»Jawohl, Mylord«, sagte Ned. »Ich habe als kleiner Junge für den Müller gearbeitet und seine Pferde geritten, bevor ich zur Burg kam.«
»Gut«, sagte Jim. »Ich möchte dir nun zeigen, welche Bewegungen man machen muß, wenn man ein Heroldshorn bläst.«
»Ein Heroldshorn?« Ned sah ihn mit offenem Mund an. »Bitte um Vergebung, Mylord, aber was ist ein Heroldshorn?«
»Etwas wie ein Jagdhorn, du Dummkopf«, knurrte Tom, »nur viel größer, das aus Metall gemacht ist und auch nicht auf dieselbe Art geblasen wird.«
»Ja, das ist richtig, Ned«, sagte Jim. »Weil es auf andere Art und Weise geblasen wird, ist es auch nicht nötig, daß du es bläst. Du brauchst es nur an die Lippen zu setzen, und ich werde das Horn von selbst ertönen lassen. Was ich möchte, ist folgendes: Du sollst auf einem Pferd vor einem Ritter in
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