Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
vor einigen Minuten zurückgelassen hatten.
Der einzige Unterschied bestand darin, daß Brian jetzt auf dem ersten der drei Hocker auf ihrer Seite des Raumes saß und daß die beiden anderen Hocker neben ihm frei waren.
Bis auf Carolinus und den Kaplan achtete niemand auf sie. Der Graf und der Bischof stritten sich immer noch. Der Prinz war eingeschlafen; die lauten Stimmen schienen ihn nicht weiter zu stören. Mnrogar stand mitten im Zimmer; ganz so, als hätte er nicht nur schon ein Jahrhundert dort gestanden, sondern könne auch noch ein weiteres Jahrhundert dort stehen.
»Meine Burg ist meine Burg!« ereiferte sich der Graf gerade. »Hier habe ich das Sagen ...«
»...nicht in Angelegenheiten der Kirche oder des Reiches!« brüllte der Bischof. »Und ich spreche für die Kirche...«
»Meine Herren, meine Herren«, mischte Carolinus sich ein. »Dieser Zwist zwischen Euch könnte für alle Zeit so weitergehen. Besser, wir versuchen noch einmal von Mnrogar zu erfahren, ob es tatsächlich irgendeine Beziehung zwischen ihm und Lady Falon gibt. Wenn er sich weigert, die Frage zu beantworten, kann ich nur erklären, daß wir mit einer weiteren Befragung Mnrogars nichts erreichen werden. Dann müssen wir den anderen Troll in dieser Burg - falls überhaupt einer hier war - auf anderem Wege finden.«
Seine Einwände hatten beide Männer offensichtlich mit einem willkommenen Vorwand für eine Beilegung ihres Disputs versorgt. Aber trotzdem mußten beide noch ein wenig brummen, knurren und protestieren, bevor sie sich damit einverstanden erklärten. In der Zwischenzeit nutzte Jim die Gelegenheit, Angie etwas zuzuflüstern.
»Kannst du mir das Kästchen jetzt geben?« fragte er.
»Einen Augenblick«, sagte Angie.
Nachdem sie einige Sekunden lang mit Unschuldsmiene ins Zimmer geblickt hatte, schob sie Jim hinter ihrem Rücken das Kästchen zu. Jim spürte, wie sich etwas Hartes in seinen Rücken preßte. Er griff hinter sich, und seine Finger schlössen sich um das Kästchen.
»Danke«, flüsterte er.
»War mir ein Vergnügen«, erwiderte Angie.
Unterdessen hatten sich der Graf und der Bischof an den langen Tisch gesetzt, während Carolinus seine Befragung des Trolls wieder aufnahm.
»Ah, Mnrogar«, sagte Carolinus leutselig, »ist Lady Agatha Falon Eure Enkeltochter?«
»Nein«, antwortete Mnrogar.
»Aber Ihr habt sie Enkeltochter genannt, als Ihr an den Tribünen mit ihr gesprochen habt«, wandte Carolinus ein.
Mnrogar sagte nichts.
»Warum habt Ihr sie Enkeltochter genannt?« hakte Carolinus sanft nach.
»Sie ist jung«, antwortete Mnrogar.
»Und Ihr«, sagte Carolinus, »seid natürlich, verglichen mit ihr, sehr alt. Ich verstehe. Es war nur natürlich für Euch, jemanden, der nach Euren Maßstäben erst vor kurzer Zeit geboren ist, Enkel zu nennen - habe ich recht?«
Mnrogar antwortete nicht.
»So!« explodierte der Graf. »Seine Halsstarrigkeit kennt keine Grenzen ...«
»Wenn Ihr so gut sein wollt, Hugo«, sagte Carolinus. »Ich glaube, wir können Mnrogars Schweigen auf meine Frage als Beweis werten, daß er sich im Gespräch mit jüngeren tatsächlich so ausdrückt. Ansonsten hätte er mit nein geantwortet.«
Dann wandte er sich wieder Mnrogar zu.
»Ihr habt uns allen erzählt, daß Ihr auf der Suche nach einem anderen Troll wäret, der als Mensch verkleidet unter den Gästen des Grafen weilt«, sagte er zu Mnrogar. »Als man Euch die Gelegenheit gab, alle Gäste hier zu beschnuppern, habt Ihr Euch nur an Agatha Falon gewandt. Wenn wirklich ein Troll unter den Gästen gewesen wäre und Ihr gewußt hättet, daß der andere Troll da war, hättet Ihr Eure Aufmerksamkeit doch gewiß auf diese andere Person gelenkt. Oder wollt Ihr uns erzählen, daß es von Anfang an gar keinen Troll unter den Gästen gegeben hat und Ihr gelogen habt?«
»Trolle lügen nicht«, sagte Mnrogar.
»Ha!« rief der Graf abschätzig.
»Nein, Hugo«, widersprach ihm Carolinus. »Er sagt uns durchaus die Wahrheit. Ich denke, wir können davon ausgehen, daß er tatsächlich etwas über Lady Falon weiß. Ob es auf den Tribünen tatsächlich noch einen anderen Troll gab und was das Ganze mit Agatha zu tun hatte, werden wir wahrscheinlich niemals herausfinden können.«
Jim räusperte sich.
»Herr Graf, Carolinus«, sagte er so höflich wie nur möglich, »dürfte ich etwas vorschlagen?«
»Alles! Absolut alles!« rief der Graf.
Jim holte das Kästchen hervor, das er zwischen sich und Angie verborgen gehalten
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