Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
und seinen Kopf nahmen. Dann ging es ein wenig holperig durch einen langen Korridor.
Es war nicht gerade die bequemste Fortbewegungsweise, und der Weg erschien ihm über Gebühr lang. Endlich aber fand er sich mehr oder weniger sanft auf die Matratze auf dem Boden ihres ersten Zimmers gelegt. Er blieb, wo er war, bis er seine Träger fortgehen und die Tür hinter ihnen zufallen hörte. Dann öffnete er die Augen und setzte sich auf. Angie war nicht bei ihm im Zimmer.
Beinahe im selben Augenblick kam sie jedoch aus dem anderen Zimmer. In der Hand hielt sie das >Wahrheitskästchen<.
»Es ist leer, wie immer, soweit ich sehen kann«, erklärte Angie. »Das hat mich schon erstaunt, als ich beschloß, es mitzunehmen. Ich nehme jedoch an, daß deine Magie unsichtbar ist?«
»Das hoffe ich«, antwortete Jim. »Aber Carolinus wird natürlich wissen, ob ich irgendwelche Magie benutzen kann.«
»Er wird jedenfalls wissen, daß diese Ausrede eine Lüge war«, sagte Angie. »Alle anderen haben das ohne Fragen geschluckt. Aber wie dem auch sei, was kann dir dieser Kasten nutzen, da der Bischof die Burg bereits gesegnet hat und bis zu seinem Abschied hier keine Magie gewirkt werden kann?«
»Keine neue Magie«, erklärte ihr Jim. »Und genau darauf zähle ich. Welche Magie dieses Ding auch enthält, sie könnte immer noch funktionieren. Aber andererseits wäre dann auch Carolinus... Nun, diese Brücke werde ich überqueren, wenn ich sie vor mir habe.«
»Wie willst du denn den Kasten mitnehmen, ohne daß jeder sich seine Gedanken darüber macht?« fragte Angie.
Jim sah sie an. Soweit hatte er noch gar nicht gedacht.
»Hm, ich könnte dir vielleicht helfen, wenn du willst«, sagte Angie. »Ich könnte das Kästchen an eine Kordel binden und mir diese um die Taille schnüren. Unter diesen weiten Röcken kann man so ziemlich alles verstecken.«
»Angie«, rief Jim, »du bist ein Genie!«
»Ach, das sagst du zu allen Genies«, meinte Angie. »Ich besorge uns eine Schnur.«
Mit diesen Worten ging sie wieder ins Nebenzimmer und kam nach einer Weile wieder zurück. Dann vollführte sie vor Jim einige Tanzschritte.
»Siehst du irgend etwas unter meinem Rock?« fragte sie.
»Nein«, antwortete Jim. »Wird es schwierig sein, den Kasten wieder loszubinden und mir zu geben?«
»Das dürfte kein Problem sein«, meinte Angie. »Aber wir sollten jetzt wohl besser wieder runtergehen, oder?«
»Ja!« Plötzlich ging Jim auf, daß die Dinge sich möglicherweise schon in der kurzen Zeit ihrer Abwesenheit zugespitzt haben konnten, so daß ihnen nicht einmal mehr das Wahrheitskästchen weiterhelfen würde. Er erhob sich hastig und ging zur Tür.
»Was willst du eigentlich damit machen?« erkundigte sich Angie unterwegs.
»Wenn ich Glück habe, kann ich es als Lügendetektor verwenden. Du weißt doch, daß wir, wenn wir uns mit irgend jemandem hier unterhalten, alles so hören, als spräche man hier modernes Englisch - und du weißt, daß das in Wirklichkeit gar nicht der Fall ist? Wenn du genau hinhörst, bekommst du ab und zu ein kleines Echo von den wirklichen Lauten, die die Leute hier produzieren.«
»Ich weiß«, sagte Angie.
»Nun, dieser Gedanke kam mir ganz plötzlich«, sagte Jim. »Der Graf hatte >in Wahrheit< gesagt - also >in trooth<. Als er das sagte, hörte ich undeutlich die Laute >yn sooth< heraus. Das heißt, er sagte genau dasselbe, nur in einer archaischen Sprache. Und da fiel mir plötzlich wieder etwas anderes ein. Als der Seeteufel mir dieses Kästchen schenkte, nannte Carolinus es eine >soothing box<. Das Kästchen könnte die Antwort darauf sein, wie wir die wahre Beziehung zwischen Agatha Falon und Mnrogar ans Licht befördern können.«
Mittlerweile hatten sie den Raum, in dem der Graf, der Bischof und die anderen waren, beinahe wieder erreicht. Die Bewaffneten, die davor standen, nahmen nach mittelalterlicher Manier Haltung an. Ohne eigens dazu aufgefordert werden zu müssen, kratzte einer der Männer an der Tür, öffnete sie dann, ohne eine Antwort abzuwarten, und schob seinen Kopf hindurch. Sie konnten seine Stimme hören.
»Sir James und Lady Angela sind wieder da, Mylord!«
»Schickt sie herein!« dröhnte die Stimme des Grafen.
Jetzt, da die Tür offen stand und sie näher kamen, konnten sie hören, daß der Graf und der Bischof immer noch in einen hitzigen Wortwechsel verstrickt waren. Die Bewaffneten schlössen die Tür hinter ihnen, und sie fanden alles beinahe genau so vor, wie sie es
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