Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
sagte Jim plötzlich. »Erzählt mir, Brian, habt Ihr Euch irgendwie anders als gewöhnlich gefühlt, als Ihr Euch zurückwarft und mit geschlossenen Augen auf dem Boden lagt? Glaubt Ihr, daß Ihr Eure Rolle vielleicht deshalb so gut gespielt habt, weil Ihr in Wirklichkeit vom Stuhl geworfen wurdet, einen Augenblick lang bewußtlos wart - etwas, woran Ihr Euch jetzt natürlich nicht mehr erinnern könnt - und tatsächlich eine Vision hattet?«
»Ich habe mich anscheinend wirklich mit mehr Kraft zurückgeworfen, als notwendig gewesen wäre«, meinte Brian nachdenklich. Er rieb sich den Hinterkopf. »Und ich bin mir nicht ganz sicher, wie lange ich dort gelegen habe, obwohl es mir nur sehr kurz erschien.«
»Ich habe den Eindruck, daß Ihr vielleicht wirklich eine Vision gehabt haben könntet, Brian, und meine Bitte, eine Ohnmacht vorzutäuschen, war eine Art wunderbaren Zufalls. Auf diese Weise würdet Ihr nämlich bezweifeln, daß Ihr wirklich eine Vision hattet und sie vergessen, bis die Zeit gekommen ist, da Ihr Euch ihrer erinnern solltet.«
Brian und Geronde - ja, sogar Angie - starrten ihn an.
»Ihr meint, das wäre möglich, James?« fragte Brian mit gedämpfter Stimme.
»Brian«, sagte Jim feierlich und mied dabei bewußt Angies Blick, »alles ist möglich.«
Brian bekreuzigte sich. Geronde tat es ihm nach und ebenso - in dieser Reihenfolge - Angie und Jim.
»Ihr seht also«, sagte Jim, »wenn es sich so zugetragen hat, wird die Erinnerung sich womöglich wirklich erst wieder einstellen, wenn die Zeit gekommen ist. Wenn ich so darüber nachdenke, könnt Ihr ruhig nach einer Weile zurückkehren und sagen, Ihr hättet das Gefühl, daß Ihr nicht darüber sprechen dürftet - auf diese Weise werden die anderen am Tisch Euch nicht danach fragen, und Ihr könnt wieder zum Bankett hinuntergehen.«
»Vor allem«, sagte Brian, »möchte ich die szenische Aufführung der großen Seeschlacht bei Sluys sehen.«
»Brian«, ermahnte ihn Angie, »Jim hat lediglich sagen wollen, daß es sich so zugetragen haben könnte, nicht daß es wirklich so war.«
»Nein«, räumte Brian ein. »Entweder hatte ich eine Vision, aber es war mir bestimmt, sie zu vergessen. Oder ich hatte keine, dann habe ich ohnehin niemandem etwas zu sagen. Das werde ich denen unten auch erklären.«
»Brian ...«, hub Geronde an. Er machte eine Handbewegung, um sie zum Schweigen zu bringen.
»Ich habe mich entschieden!« sagte er mit fester Stimme. »Ich werde wieder hinuntergehen und dem Bischof wie auch allen anderen Anwesenden erklären, daß ich ihnen nichts zu sagen habe.«
Seine Festigkeit ebbte ab. Er lächelte Geronde zu.
»Geronde«, sagte er, »Ihr werdet mich begleiten. Ihr könnt mich unterstützen, wenn ich von meiner schnellen Genesung berichte. Ihr könnt meine Zeugin sein.«
»Nun«, meinte Geronde langsam, »vielleicht...«
Brians Miene wurde plötzlich wieder nüchtern. Er wandte sich an Jim.
»Aber Ihr, James«, sagte er. »Ihr wollt doch...«
»Und will es noch immer«, versetzte Jim, nachdem er hastig nachgedacht hatte. »Ihr könnt den Gästen erzählen, Eure Ohnmacht hätte mich an etwas von höchster Wichtigkeit erinnert und ich hätte mich augenblicklich auf die Suche nach Carolinus begeben.«
»Was hat Carolinus mit der ganzen Sache zu tun?« fragte Angie.
»Nun, das ist genaugenommen eine andere Geschichte«, erklärte Jim. »Aber weil ich ihn ohnehin aufsuchen muß, kann ich ihm genausogut gleich von Brians möglicher Vision berichten, solange ich das Ganze noch frisch in Erinnerung habe. Ich werde jetzt auf unser Quartier gehen und mich umkleiden. Und wenn du mich begleiten möchtest, will ich es dir unterwegs erklären.«
»Abgemacht«, sagte Angie.
»Merkst du etwas?« fragte Angie, als sie sich auf den Weg zu ihrem Quartier machten. »Brian glaubt wirklich, eine Vision gehabt zu haben.«
»Nun«, sagte Jim, »das wird es ihm leichter machen, sich dem Bischof gegenüber zu erklären.«
»Darum geht es nicht«, sagte Angie. »Er ist so leicht zu beeinflussen. Du solltest dich schämen!«
»Es schadet niemandem, wenn er denkt, er hätte eine Vision gehabt«, erwiderte Jim.
»Ha!« sagte Angie. »Niemandem außer ihm!«
Jim zuckte innerlich zusammen. Dann bogen sie in den Korridor ein, der zu ihren Räumen führte.
»Genug von Brian und seinen Visionen«, sagte Angie. »Ich muß zurück zur hohen Tafel. Was soll ich den Leuten sagen, wenn sie mich nach dir fragen?«
»Genau das, was ich Brian gesagt
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