Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
erscheinen würden, um Teil der legendären Geschehnisse zu werden. Und daß er außerdem nicht die leiseste Ahnung hatte, wie er ihre Anwesenheit ermöglichen sollte.
Wenn einer kommen wollte, würden gewiß sämtliche Drachen von Cliffside denselben Wunsch hegen. Und wenn es einen Ritter unter den Gästen in der Burg gab, dem bei dem Gedanken an einen Kampf mit einem Drachen das Wasser im Munde zusammenlief, dann galt das wahrscheinlich für sie alle. Kurz und gut, wenn Jim es schaffte, den Drachen die Teilnahme zu ermöglichen, hätte das mehr oder weniger einen Angriff der Ritter auf die arglosen Drachen zur Folge, und das Ergebnis würde eine Rauferei sein, die gewiß in die Geschichte eingehen würde.
Und wahrscheinlich wäre für die nächsten dreihundert Jahre jede Hoffnung auf eine Freundschaft zwischen Menschen und Drachen zunichte gemacht.
Aber in diesem Augenblick fand Jim sich plötzlich vor dem Kamin seines vorderen Zimmers wieder, und Angela kam gerade aus dem inneren Zimmer hinein. Sie zuckte zusammen und stieß einen leisen Schrei aus.
»Ich wünschte, du würdest nicht jedesmal erschrecken, wenn ich auf magische Weise zurückkomme«, sagte Jim gereizt. »Das geht jetzt immerhin schon einige Jahre so ...«
»Aber das ist gar nicht der Punkt!« fuhr Angie wütend auf. »Ich kann nicht jede Sekunde meines Lebens damit rechnen, daß du plötzlich irgendwo auftauchst. Und wenn ich nicht damit rechne, wie soll ich dann nicht erschrecken, wenn du plötzlich vor mir stehst?«
Gegen diese Logik ließ sich kein Einwand erheben. Aber andererseits, dachte Jim, hatte er ohnehin noch nie viel Glück bei seinen Auseinandersetzungen mit Angie gehabt.
»Da wirst du wohl recht haben«, sagte er.
»Und ob ich recht habe!« Angie wirkte seltsam erregt, als könne sie jeden Augenblick explodieren. Aber sie gab sich Mühe, faßte sich wieder und lächelte Jim an.
»Trotzdem freue ich mich, daß du wieder hier bist«, sagte sie und ging auf ihn zu.
Sie küßten einander.
»Ah ...« Angie öffnete die Augen und löste sich aus seiner Umarmung. Dann schob sie ihn in einen Sessel und nahm ihm gegenüber Platz. »Jim, du mußt irgend etwas wegen dieser Agatha unternehmen!«
»Ich?« fragte Jim. »Warum?«
»Sie war schon zweimal hier«> erklärte Angie. »Das gefällt mir nicht!«
»Aber das ist doch nur natürlich«, sagte Jim. »Ich meine ... warum gefällt es dir nicht?«
»Sie ist gekommen, um den kleinen Robert zu sehen!« Angie sprach mit einer falschen, sirupsüßen Stimme. Sie hatte die Hände auf dem Schoß gefaltet und die Augen mit übertrieben engelshafter Frömmigkeit halb geschlossen. »Weil er doch jetzt ihr einziger lebender Verwandter ist! Jetzt, da ihr armer Bruder tot ist! Als wüßte ich nicht, daß er nur ihr Halbbruder war und daß sie in den letzten zehn Jahren kaum noch ein Wort miteinander gewechselt haben!«
»Woher weißt du das?« erkundigte Jim sich neugierig. »Ich meine, daß sie die letzten zehn Jahre nicht miteinander geredet haben?«
»Ach, das weiß doch jeder«, antwortete Angie. »Darum geht es auch nicht. Es geht darum, daß sie mich nicht hinters Licht führen kann. Sie interessiert sich gar nicht für Robert. Ihr geht es um seinen Besitz. Sie möchte die Vormundschaft, und sie schiebt diese Dinge nur vor, um ihn besuchen zu können, weil sie hofft, irgend etwas hier zu entdecken, das sie benutzen kann, um sich diese Vormundschaft zu sichern. Glücklicherweise hat sie nichts entdeckt.«
»Bist du dir sicher?« fragte Jim.
Angie legte die übertriebene Miene ab, setzte sich aufrecht hin und sah ihn scharf an.
»Weswegen soll ich mir sicher sein?« fragte sie.
»Nun, wegen beider Dinge«, sagte Jim. »Daß sie sich nur für die Vormundschaft interessiert und daß sie nach einem Grund sucht, damit sie behaupten kann, du würdest dich nicht ordentlich um Robert kümmern.«
»Natürlich bin ich mir sicher«, sagte Angie. »Dies hier ist nicht das zwanzigste Jahrhundert, Jim.«
»Das weiß ich«, sagte Jim aufgebracht.
»Sie weiß nichts über das Kind - wußte nichts darüber, bis sie hörte, daß ihr Bruder mit einer neuen Frau und dem Baby hierher unterwegs war. Wie kann sie jetzt so tun, als läge Robert ihr am Herzen? Ganz zu schweigen davon, daß sie überhaupt kein Herz hat. Ich sage dir, ich kenne diese Frau. Ich habe sie auf den ersten Blick durchschaut. Selbst wenn es anders wäre, es ist ein offenes Geheimnis. Sie ist ehrgeizig. Sie hat all die Jahre von
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