Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
selten und hörte schnell wieder auf, wenn sein unmittelbares Bedürfnis gestillt war.
Außerdem stimmte alles, was Angie gesagt hatte. Roberts Situation war heikel, um es mit einem möglichst optimistischen Ausdruck zu umschreiben. Jim konnte sich kaum bereit erklären, ihn im Stich zu lassen, bevor der König ihm einen vertrauenswürdigen Vormund bestellt hatte.
Jim überlegte, ob er Angie erzählen sollte, daß man ihm im Falle seines Hierbleibens möglicherweise all seiner Magie entkleidete und daß dann nicht nur Robert, sondern sie alle mehr oder weniger schutzlos dastehen würden.
Nach allem, was er wußte, konnte er sogar seine Fähigkeit verlieren, sich in einen Drachen zu verwandeln - das würde Carolinus ihm sicherlich sagen können. Vielleicht gehörte seine Verwandlung in einen Drachen zu den Dingen, die er aus eigenem Recht erworben hatte. Immerhin war er schon ein Drache gewesen, bevor er Carolinus' Lehrling wurde, so daß er diese Fähigkeit vielleicht behalten durfte. Wenn ja, würde das ein Vorteil sein, allerdings auch der einzige, der ihnen bleiben würde.
Jim kam zu dem Schluß, Angie die Sache für den Augenblick noch zu verschweigen. In dürren Worten ausgedrückt, mußte er sich jetzt auf irgendeine Möglichkeit besinnen, wie er Son Won Phon aufhalten konnte und mit ihm alle anderen Magier, die sich gegen ihn verschworen hatten. Es mußte irgendeine Lösung geben, und es lag an ihm, diese Lösung zu finden. Es hatte keinen Sinn, Angie zu beunruhigen, die ohnehin nichts tun konnte. Dazu war nur er allein imstande, und da er es ohnehin allein tun mußte, konnte er es genausogut für sich behalten.
»Du hast recht, Angie«, sagte er. »Wir werden bleiben müssen, zumindest für den Augenblick. Ich weiß nur nicht, wie die Zukunft aussehen wird, aber vielleicht sehen wir später klarer. Es gibt so viel zu hin...«
»Ach, mein Liebster.« Angie drückte ihn an sich. »Ich wußte, du würdest mich verstehen. Hör zu! Ich habe dir doch gesagt, ich würde über dein Problem mit dem Troll unter der Burg und dem anderen Troll nachdenken, der angeblich hier oben bei den Gästen ist?«
»Was?« fragte Jim. »Ach das. Ja, stimmt, das hast du gesagt.«
»Nun, mir ist etwas eingefallen!« Angie richtete sich auf seinem Schoß triumphierend auf. »Möchtest du es hören?«
»Natürlich«, sagte Jim mit so viel Begeisterung, wie er aufbringen konnte.
»Es wird dir gefallen!« Angies Augen sprühten geradezu Funken, wie Jim mit einiger Überraschung bemerkte. »Du erinnerst dich doch an diese szenische Aufführung der Seeschlacht bei Sluys? Du warst beim Abendessen nicht bis zum Schluß dabei, daher konntest du die Aufführung nicht sehen. Aber du erinnerst dich doch, daß sie stattfinden sollte?«
»Ja, ich erinnere mich«, sagte Jim.
»Also«, sagte Angie, »es war das Dürftigste, Kitschigste und Übertriebenste, das ich je gesehen habe. Sie haben das Stück vor der hohen Tafel aufgeführt, so daß sie uns ansahen, allen anderen im Saal aber den Rücken zukehrten. Den anderen Gästen schien das jedoch nicht viel auszumachen.« Sie hielt inne, um Luft zu holen.
»Sie hatten Kästen dabei - oder jedenfalls so etwas Ähnliches -, auf denen der Schauspieler stand, der König Edward spielte. Diese Kästen sollten die Brücke seines Schiffes sein, das die englischen Schiffe in die Schlacht führte. Sie hatten auch Trittleitern oder Gerüste, die erhöhte Stellen auf dem Schiff darstellen sollten. Außerdem mußte man sich vorstellen, daß die Männer, wenn die Schiffe zusammenkamen, von einem Schiff aufs andere sprangen, aber in Wirklichkeit war da nur der leere Boden, und sie fingen an, quer darüber hinweg zu kämpfen, als enterten sie... und so weiter. Es war alles ziemlich idiotisch. Ich hatte große Mühe, nicht laut loszulachen.«
Trotz seiner niedergedrückten Stimmung mußte Jim lächeln.
»Ich kann es mir vorstellen«, sagte er. »Die Bühnenausstattung und viele andere Dinge sind der Phantasie des Publikums überlassen. Um genau zu sein, erwartete man im Mittelalter eine ganze Menge Phantasie von seinem Publikum, wenn ein Stück aufgeführt wurde.«
»Na ja, die Leute hatten jedenfalls Phantasie, und mehr als genug!« Angie sprang auf. »Du hättest die Gäste sehen sollen, sie haben die Sache förmlich verschlungen. Mir war vorher gar nicht klar, wieviel den Menschen hier jede Unterhaltung, jedes Spektakel bedeutet.«
»Ich glaube, mir war das bisher auch nicht bewußt«, meinte Jim
Weitere Kostenlose Bücher