Drachenritter 06 - Der Drache und der Dschinn
so dick, daß möglicherweise ein Gang darin versteckt ist. Solche Wände sind bisweilen völlig von Gängen durchzogen. Würdet ihr sie auf einem Rauchschwaden erforschen und feststellen, ob ihr den Weg zu dem Raum entdeckt, in dem sich der Mann aufhält, den ihr im Wasser gesehen habt?«
Beide Kobolde starrten Murads Abbild an.
»Ich wüßte nicht, was dagegen spräche«, sagte Kob. »Das ist doch das gleiche, als würde man Schornsteine erkunden, bloß daß es hier nicht auf und ab, sondern seitwärts geht.«
»Würdet ihr lange brauchen, was meint ihr?« fragte Jim. »Im Moment ist er allein, und ich würde gern so bald wie möglich ungestört mit ihm sprechen. Wenn es geht, sucht einen Weg aus, auf den ich unterwegs keinen Bediensteten begegne.«
»Ihr braucht sie gar nicht erst lange suchen lassen«, sagte Sir Renel. »Ich weiß, wo er ist. Das ist eines seiner Privatgemächer. Er ruht sich dort für etwa eine Stunde aus - das tut er nämlich häufig. Ich kann Euch dorthin führen; und sollten wir unterwegs Bediensteten begegnen, so wird mir schon eine passende Ausrede einfallen.«
Jim sah auf.
»Brian«, sagte er, »was meint Ihr? Wenn wir mit Murad eine Weile allein wären, könnten wir mehr in Erfahrung bringen. Was haltet Ihr davon, wenn wir ihm einen Besuch abstatten und ein paar Fragen stellen?«
»Ich würde sagen, das ist eine ausgezeichnete Idee«, antwortete Brian. »Ich werde vorangehen, auch wenn de Oust uns den Weg zeigt.« Mit einer blitzschnellen Handbewegung beförderte er das Messer aus dem Ärmel in seine Hand. Er blickte die beiden Frauen an.
Wie durch Zauberei hielt Geronde auf einmal wieder das kleine Messer in der Hand. Angie war langsamer, hatte aber ebenfalls ein Messer dabei. Jim langte unter sein östliches Gewand zu einem ausgesprochen westlich und modern wirkenden Futteral, das Angie für ihn angefertigt hatte, und zog ein Messer hervor, das starke Ähnlichkeit mit einem schottischen skean dhu aufwies. Es hatte eine kurze, breite Klinge, die sich zu einer nadelscharfen Spitze verjüngte, und ein Heft, das angenehm in der Hand lag.
»Schwer bewaffnet sind wir nicht gerade«, meinte Brian trocken. »Aber wenn Ihr, Angela, und Ihr, James, nicht zögert, dann hätten wir wohl leichtes Spiel mit unbewaffneten Bediensteten in einem dunklen Gang.«
»Soweit wird es nicht kommen«, sagte Jim. »Zumindest glaube ich das nicht. Sir Renel, zeigt uns den Weg.«
»Gott segne Euch dafür, Sir James, daß Ihr mit mir wie mit einem Ritter sprecht«, erwiderte Sir Renel. »Schon allein dafür würde ich mit bloßen Händen auf jeden losgehen, der sich uns in den Weg stellt, um wenigstens noch etwas Nützliches zu tun, bevor ich sterbe. Aber Ihr müßt mich vorangehen lassen, Sir Brian, denn so sind wir schneller. Im Gegensatz zu Euch kenne ich den Weg. Solltet Ihr mir immer noch mißtrauen, so steht Ihr mit dem Messer hinter mir.«
»Ich müßte lügen, wenn ich sagen würde, ich mißtraute Euch nicht«, entgegnete Brian. »Sollten sich meine Zweifel in nächster Zeit zerstreuen, dann hätte ich vielleicht etwas für Euch, womit Ihr kämpfen könnt.«
»Das wäre die richtige Art zu sterben! Gott gebe es, daß sich mir diese Gelegenheit bietet! Und nun folgt mir.«
Er geleitete sie zurück zu der Wandöffnung, und als sie hindurchtraten, stellte Jim fest, daß die Wand zwar dicker war, als er zunächst angenommen hatte, auf beiden Seiten aber massiv zu sein schien. Sir Renel wandte sich nach rechts und berührte leicht das Mauerwerk, worauf dieses zurückschwenkte und einen finsteren Gang enthüllte. Der Gang bot zwei Personen nebeneinander Platz, aber wahrscheinlich war es besser, wenn sie hintereinander gingen.
»Kob. Kob von Malvern?« rief Jim über die Schulter hinweg. »Seid ihr da? Ihr könnt im Dunkeln bestimmt besser sehen als wir, hab ich recht?«
»Ja, Mylord«, antwortete Kob in seinem Rücken. »Wir sehen sogar sehr gut im Dunkeln.«
»Brian«, sagte Jim, »ich schlage vor, daß wir Kob und Kob von Malvern auf dem Rauch vorausfliegen lassen, damit sie uns warnen können, sollte sich uns jemand nähern. Die beiden bewegen sich lautlos fort, außerdem sind sie im Dunkeln schwer zu erkennen. Selbst wenn wir irgendwo auf Fackeln stoßen sollten, würden sie kaum auffallen.«
»Meinetwegen«, antwortete Brian.
Jim verspürte einen Lufthauch am Ohr, der ihm verriet, daß die beiden Kobolde auf ihren Rauchschwaden an ihm vorbeigeschwebt waren. Behutsam tasteten sie sich vor.
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