Drachenritter 06 - Der Drache und der Dschinn
Dabei kamen sie schneller voran, als Jim erwartet hatte, denn Sir Renel schritt mit der Sicherheit eines Mannes aus, der es gewohnt war, sich im Dunkeln zu bewegen.
Nach einer Weile wurde es vor ihnen heller, und sie gelangten in einen breiteren Gang, der von Wandfackeln erhellt wurde. Auch diesen Gang durchquerten sie, ohne jemandem zu begegnen; doch dann geleitete sie Sir Renel in ein Labyrinth von Gängen und Verzweigungen, die alle erleuchtet waren - als auf einmal Kob zu Jim zurückgeflogen kam.
»Ein Mann!« flüsterte er Jim ins Ohr.
»Brian...«, setzte Jim an, doch ehe er den Satz beenden konnte, hatte sie der Mann auch schon erreicht und wäre fast gegen Sir Renel geprallt.
»Nasraney!« sagte er. »Was tust du hier mit all den...«
»Stell keine Fragen!« schnitt ihm Sir Renel energisch das Wort ab. »Und vergiß, was du gesehen hast!«
Der Bedienstete starrte ihn eine Weile ungläubig an, dann drückte er sich mit gesenktem Blick hastig an ihnen vorbei.
»Wir müssen uns beeilen«, ließ sich Sir Renel an der Spitze der Kolonne vernehmen. »Eine Zeitlang wird er wohl schweigen, denn für gewöhnlich bin ich der Diener der Diener und spreche mit niemandem. Jetzt, da ich die Kühnheit hatte, so zu ihm zu reden, wird er glauben, ich handele auf Befehl. Früher oder später aber wird er jemandem davon erzählen, und dann wird sich die Nachricht im ganzen Palast verbreiten -bis irgendwann auch Murad davon erfährt.«
Sir Renel schritt daraufhin rascher aus. Jim, der hinter Brian ging, beeilte sich, ihm zu folgen. Zum Glück war es leidlich hell, so daß er Brian nicht auf die Hacken trat. Hin und wieder, wenn sie an einer Fackel vorbeikamen, erhaschte Jim einen Blick auf Sir Renel an der Spitze. Unvermittelt hielt dieser unter einer Fackel an und hob die Hand.
»Hier biegen wir rechts ab«, sagte er. »Von hier an wird es heller, allerdings halten sich hinter den Wänden zu beiden Seiten auch Leute auf. Daher seid leise. Bis zu dem Raum, in dem sich Murad aufhält, ist es nicht mehr weit.«
Er betrat den anderen Gang. Nach einer Weile bog er ein letztes Mal ab und blieb vor einer scheinbar massiven Wand stehen. Auf seine Berührung hin öffnete sie sich allerdings, worauf er sie in das Zimmer geleitete, in dem Murad auf dem verschwenderisch gepolsterten Bett lag.
Als alle den Raum betreten hatten, schloß sich die Wandöffnung, durch die sie hereingekommen waren, von selbst. Sir Renel wandte sich zu Brian um, der erwartungsvoll Jim ansah, während dieser die Umgebung musterte.
Ein offener Durchgang in der Wand hinter dem Bett führte zu einem weiteren, mit Vorhängen ausgestatteten Raum, durch den der Zitronen- und Orangenduft des Gartens zu ihnen hereindrang.
»Wir müssen Murad aufwecken.« Jim trat ans Bett und wollte Murad bei der Schulter packen. Zu seiner Verwunderung stießen seine Finger auf keinerlei Widerstand. Er rückte mit der Hand weiter zum Hals vor, und nun fühlte er unter der Kleidung etwas Festeres. Als er den Hals hinter dem Bart genauer betrachtete, stellte er fest, daß dieser verhältnismäßig dünn war im Vergleich zu Murads mächtigem Leib. Er packte das feste Schulterstück und schüttelte den Schlafenden.
Murad riß die Augen auf.
»Was... wer...« Mit erstaunlicher Behendigkeit setzte er sich im Bett auf und faßte erst die ganze Gruppe, dann ausschließlich Geronde ins Auge.
»Geronde!« Es hatte den Anschein, als wäre außer ihr niemand für ihn vorhanden. Dann richtete sich sein Blick auf Sir Renel. »Wie konntest du sie nur herbringen?« schrie er.
»Weil ich mich wieder erinnert habe, wer ich einmal war«, antwortete Sir Renel.
»Zum Teufel mit dir!« sagte der falsche Murad, der wahre Sir Geoffrey oder wer auch immer er war. »Wenn du deine Rolle gespielt hättest, dann wäre ich vielleicht damit durchgekommen.«
Er schnellte wie ein Springteufel vom Bett hoch und baute sich drohend vor Sir Renel auf.
»Sagt, was Ihr wollt. Macht, was Ihr wollt«, entgegnete Sir Renel, Sir Geoffreys Blick unverwandt erwidernd. »Es stimmt, alles, was ich war, hatte ich seit Jahren verloren. Aber ich habe es wiedergefunden und diese Leute zu Euch geführt. Macht mit mir, was Ihr wollt.«
Er wandte sich gleichgültig ab. Der wahre Sir Geoffrey sah ihm einen Moment lang finster nach, dann schaute er Geronde an.
»Tochter ...«,sagte er verlegen.
Geronde wich zurück. Ihr Gesichtsausdruck war kalt und unnahbar.
»Wenn ich Eure Tochter bin - und soviel ist sicher, Ihr habt
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