Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
vermutlich nicht ungewöhnlich. Das dunkle Band könnte von der dreckigen Kleidung herrühren, die gegen den sauberen, braunen Granit rieb. Dennoch hatte er nie erwartet, daß ihre Expedition einen solchen Auflauf verursachen würde. Natürlich war Hill der Grund dafür.
Niemand aus der Menge bewegte sich, nicht einmal ein bißchen. Die Wurzel wirkten wie Statuen, die von dem Licht der Höhlenwand erhellt wurden. Über dem Licht war die Höhlendecke jedoch in tiefste Dunkelheit getaucht, die alles Licht abzuweisen schien. Die Dunkelheit ließ an endlose Spinnweben und riesige Fledermäuse denken – aber keine Bewegung, kein Laut gaben Hinweise, daß da oben irgend etwas lebte.
Die münzengroßen Quadrate aus dem silbrigen edelsteinartigen Metall funkelten im Steinlicht wie geschliffene Juwelen. Sie markierten den Weg, den Jim und seine Gefährten gekommen waren, und endeten an dem Ring, den er schon zuvor bemerkt hatte, einem Kreis auf dem Boden, in dessen Innern das Podest mit dem Thron stand, ein Kreis mit einem Durchmesser von etwa sechs Metern. Auf dem Podest waren der Thron und der Umhang des Wurzelkönigs mit den Metallstücken bedeckt. Ihr beständiges, wechselhaftes Glitzern
– immer an der Grenze zu Farbänderungen – schien heftiger zu werden, als die Stimmen von Hill und dem König zunehmend lauter wurden.
»…ein Kind, ja. Aber niemals war ein erwachsener Blöder ein Glück!« brüllte der König der Wurzel gerade.
Hill und sein Onkel führten offensichtlich dasselbe Streitgespräch wie zu dem Zeitpunkt, als Jim verschwunden war. Beide hatten den für Wurzel offenbar üblichen staunenden Blick mit offenem Mund verloren. Der König schien sich wegen Hills ständiger Erwähnung von ›Glück‹ unwohl zu fühlen, obwohl er das Gegenteil behauptete, dachte Jim.
Wie es aussah, hatte das Wort ›Glück‹ in den Augen der Wurzel eine andere und ernsthaftere Bedeutung als bei den Menschen.
Jim fragte sich, wie er Hill Glück bringen könnte. Hill hatte daran offensichtlich keinen Zweifel, und der König sah fastebenso überzeugt aus. Jim fühlte, wie Ärger in ihm aufwallte. Wenn er nur verstünde, was die Wurzel für eine Vorstellung von Glück hatten, dann könnte er die Situation vielleicht zu seinen und seiner Freunde Gunsten bereinigen.
»Kein Glück für einen Wurzel?« frohlockte Hill. »Ihr denkt das wirklich, nicht wahr? Dann tretet mit mir in den Ring – oder wünscht Ihr, mir einfach die Robe und den Thron zu überlassen und zurückzutreten? Ich werde gnädig sein, wenn Ihr es tut.«
»Ihr mir gnädig sein!« Der König stand von seinem Thron auf und begann, seine schwere Robe auszuschütteln. Die Metallplättchen, die die Außenseite bedeckten, funkelten wie ein Miniaturfeuerwerk hell auf, strahlten einen Augenblick lang heller als die Wände, als der König das Gewand zur Seite schleuderte, und fielen dann klirrend auf den Boden des Podests. Der König trat vor und ging hinunter in den Ring.
Bis zur Hüfte entblößt, sah der Körper wie ein dickes Faß aus, dessen Umfang zwischen Brust und Bauch kaum variierte. Ansonsten wirkte er sehr menschlich.
Aber an seinen und Hills Armen – auch Hill hatte sein Hemd weggerissen – konnte man ihre Nichtmenschlichkeit erkennen.
Die Arme waren oben so nah am Hals angesetzt, daß man fast glauben konnte, sie hätten überhaupt keine Schultern. Aber ein großer Muskelstrang verlief über das obere Ende jeden Arms und vermittelte den Eindruck, daß die Arme mit großer Kraft in Richtungen, die für Menschen ungewöhnlich waren, bewegt werden konnten.
Die Oberarme wirkten affenähnlich und fast doppelt so lang wie die Unterarme. Unter der straffen, gräulichen Haut zuckten feste Muskeln.
Die Unterarme waren hinter den riesigen Händen, die von den langen Ärmeln verdeckt wurden, kaum zu erkennen. Die Hände waren so groß und lang, daß ein Wurzel damit seine eigene Hüfte hätte umfassen können. Die Handflächen waren so breit wie ein Bootspaddel, die Finger dreimal so lang wie bei einem großgewachsenen Menschen. Sie sprangen aus den übergroßen Handflächen heraus, so daß an ihrer Fähigkeit, kräftig zuzugreifen, kein Zweifel entstand.
Der König hob die Hände wie ein Ringer, der zu einem Griff ansetzen wollte, und trat vor. Dabei stieß er Hills Hemd, das dort lag, wo Hill es hingeworfen hatte, beiseite. Hill hatte seine Hände in der gleichen Ringermanier erhoben – aber sie waren kaum mehr als drei Viertel so groß wie die des
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