Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
halten?« Wie sollte Jim das denn anstellen? Er suchte nach den passenden Worten, um zu erklären, was das für eine absurde Idee sei – anzudeuten, er wäre zu so etwas in der Lage. Aber Carolinus fuhr bereits fort.
»Denkt daran, Euren Verstand einzusetzen. Selbst in Zeiten, da die Magie nicht für Euch arbeitet – und Ihr wißt bereits, daß es solche Zeiten und Orte gibt –« Carolinus sah Jim scharf an. Dieser erinnerte sich, wie nutzlos seine Kräfte im Königreich der Toten waren. Carolinus hob die Hand, bevor Jim etwas entgegnen konnte. »Selbst in solchen Zeiten ist der erfahrene Magier nicht ohne Rückhalt. Und Magie Zieht.«
»Carolinus, was…«
Von einem Augenblick zum anderen war Carolinus verschwunden.
»Carolinus!« rief Jim, aber es kam keine Antwort.
Jim konzentrierte sich auf Carolinus, stellte ihn sich vor, so
wie er ihn gerade gesehen hatte, und beschwor seine Magie, ihn zu seinem Lehrmeister zu bringen.
Nichts geschah.
Dies war das erste Mal, seit Carolinus ihn mit der Zauberei vertraut gemacht hatte, daß seine Magie nicht für ihn arbeiten wollte.
Er konnte die Magie nicht verbraucht haben – noch nicht. Er hatte die Revisionsabteilung, jene seltsame Institution, die über die magische Energie Buch führte, noch nicht gebeten, sein Konto aufzustocken. Carolinus hatte dafür gesorgt, daß er es jedoch jederzeit tun konnte. Er hatte nicht darum gebeten, da Carolinus betont hatte, wie wichtig es sei zu sparen, und Jim hatte bereits den Verdacht, daß er Schwierigkeiten zu erwarten hätte, wenn er mehr magische Energie ausgeben wollte.
Aber er hatte gespart. Er mußte mehr als eine Kleinigkeit, eher ein hübsches Sümmchen, auf seinem Konto haben. Um das zu überprüfen, stellte er sich vor, eine Rose in der Hand zu halten. In seinem Kopf stellte sich das übliche Gefühl ein, wenn er Magie wirkte, und im selben Augenblick erschien die Rose.
»Au!« Er hatte sich an einem Dorn gestochen. Er sog ein wenig an der Wunde und befaßte sich dann wieder mit der Unerhörtheit, daß sich seine Magie geweigert hatte, etwas für ihn zu tun.
Vielleicht hatte Carolinus eine Art Sperre installiert, so daß jeder Versuch, ihn zu erreichen, mißlingen mußte. Diese Möglichkeit erschien Jim am wahrscheinlichsten. Aber wenn Carolinus das getan hatte, warum nur? Jim kehrte auf seine Matratze zurück und durchdachte beim schwächer werdenden Licht des Feuers, was Carolinus ihm gesagt hatte. In der Vergangenheit war der Magier des öfteren nicht zu erreichen gewesen, aber diesmal fühlte es sich anders an.
Wie konnte jemand glauben, daß er, Jim, irgend etwas in der Frage, ob der gegenwärtige König von England, Edward der Dritte, auf dem Thron bleiben solle, zu sagen hätte? In Jims Kopf wirbelten die Fragen und Bruchstücke von Antworten, die nur noch weitere Fragen aufwarfen, wild durcheinander. Gesichter, Namen und Ideen bildeten ein einziges Chaos.
Carolinus' Anweisung, KinetetE um Hilfe zu ersuchen, könnte sich als genauso undurchführbar erweisen, wie die, den König auf dem Thron zu halten. KinetetE gehörte zu den drei größten Magiern dieser Welt. Jim hatte sie nur einmal aus der Entfernung gesehen, aber sie schien eine bemerkenswerte Frau zu sein. Und wenn Carolinus für Magier der Kategorie Eins Plus typisch war, dann wäre es gewiß nicht leicht, mit KinetetE zurechtzukommen.
Beides war schlichtweg unmöglich. Niemand konnte dieser Mischung aus Informationen, Teilinformationen und Nicht-Informationen einen Sinn entnehmen. Jim konnte sich nur dem Wirbeln in seinem Kopf überantworten und sich drehen, drehen, drehen…
Helles Sonnenlicht drang durch die Schießscharte in den Raum, so daß Jim blinzelte.
Und Chandos stand über ihn gebeugt, komplett angezogen, gerüstet und bewaffnet – offenbar war er schon sattelfertig.
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte er gerade, ohne daß in seiner Stimme der geringste Unterton einer Entschuldigung zu hören war, »aber es ist Zeit, sich auf den Weg zu machen. Und ich denke, daß Ihr den heutigen Ritt nicht ohne ein kräftiges Frühstück beginnen wollt. An der hohen Tafel steht alles für uns bereit. Wenn Ihr Euch mit dem Ankleiden und Bewaffnen beeilt, könnt Ihr noch essen, bevor wir im Sattel sein müssen. Da Ihr keinen Knappen dabeihabt, sollte ich Euch vielleicht einen meiner Männer vorbeischicken, der Euch beim Anlegen der Rüstung behilflich sein kann.«
»Nein, nicht nötig«, sagte Jim, während er schon auf die Füße stolperte.
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