Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
es Sommer war, wäre es gegen Morgen empfindlich kalt im Zimmer. Er legte sich für diesen Fall weitere Decken zurecht, ließ sich nieder und legte sich mit einem zufriedenen Seufzer zurück.
»So, das war's! Endlich ein paar Stunden schlafen.«
***
Aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Eine innere Unruhe hatte von Jim Besitz ergriffen. Er lag da und starrte die leuchtend rote Unterseite eines Holzscheits im Kamin an. Das Feuer hatte einen Großteil der Oberfläche in Kohle verwandelt. Die Scheite glühten erst hell auf, dann dunkler, wenn die leichten Luftströmungen im Raum über sie hinwegstrichen. Dazwischen tanzten Flammenteufel.
Etwas, sagte er sich, war nicht in Ordnung. Das war nicht nur seine Phantasie. Etwas war ganz und gar nicht in Ordnung.
Zuerst war da die Veränderung, die er im Verhalten seiner Burgbediensteten bemerkt hatte. Das hatte sogar noch vor den Bumps angefangen. Dann hatte sich Brian allzu schnell einem bewaffneten Schlag gegen den obersten Ratgeber des Königs angeschlossen – was als Angriff gegen den König selbst betrachtet werden konnte.
Und dies nur, weil Brian dringend Geld brauchte. Das war nicht der Brian, den Jim kannte. Brian war ein ritterlicher Idealist. Sein Wille, immer das zu tun, was recht war, grenzte manchmal schon ans Lächerliche.
Jim hatte geglaubt, Brian würde sich eher die rechte Hand abhacken, und das buchstäblich, bevor er mit ihr für eine Sache das Schwert führte, die auf irgendeine Weise gegen den König gerichtet war. Aber Brian hatte sich der Streitmacht schon beinahe freudig angeschlossen.
Und jetzt war Jim hier als ein Teil von Chandos' Expedition, die sich derselben Truppe entgegenstellte, der sich auch Brian angeschlossen hatte.
Jim war nicht getäuscht worden. Er wurde in diese Angelegenheit nicht wegen seiner Macht als Magier hineingezogen – sein Können überstieg kaum das eines Anfängers, auch wenn Nichtmagier das nie glauben wollten. Er war hier, weil er landläufig für einen Paladin gehalten wurde – einen mächtigen Krieger. In Wahrheit war er aber noch weniger ein Krieger als ein Magier.
Er hatte zwar an ein paar echten, wenn auch unwichtigen Kämpfen teilgenommen, meistens neben Brian. Aber die waren alle von der Art gewesen, die Leute wie Brian mit ›Zusammenstoß‹, ›Geplänkel‹ oder ›kleine Störung‹ bezeichneten.
Brian hatte sich sehr viel Mühe gegeben, Jim den richtigen Gebrauch von Schwert, Dolch und Lanze beizubringen. Er hatte nie Jims Fähigkeiten als Kämpfer hochgelobt. Chandos, ein alter Kämpe und gut darin, Kämpfer zu beurteilen, mußte ein Blick genügt haben, um Jims mangelhafte Fertigkeiten zu erkennen. Letzte Weihnacht noch hatte Sir Harimore Kilinsworth, Brians härtester Rivale mit Schwert und Lanze, Jim innerhalb kürzester Zeit durchschaut und nicht gezögert, ihm dies auch mitzuteilen. Danach hatte Jim zu erforschen begonnen, warum er eigentlich hier geblieben war.
Die Welt, in der er nun lebte, war auf vielerlei Weise grausam und primitiv. Aber er und Angie hatten sich entschieden zu bleiben, nachdem er sie aus dem Verhaßten Turm gerettet hatte. Damals hatte er für eine kurze Zeitspanne genug magische Energie besessen, um Angie und sich selbst nach Hause in ihre eigene Welt und Zeit zu bringen.
Andererseits waren sie gern hier. Es war eine Zeit, in der man wirklich leben konnte – eine in vielerlei Hinsicht noble Zeit, in der Prinzipien wie Mut und Loyalität einen höheren Stellenwert einnahmen als im zwanzigsten Jahrhundert…
Jim mußte lächeln, als er an vergangene Tage dachte, und mit dem Gedanken, wie alles gekommen war, trieb er in den Schlaf hinüber.
Jim wachte plötzlich auf. Jemand stand über ihm. Es war nicht Angie. Statt dessen stand da Carolinus, sein Lehrmeister in der magischen Kunst. Das Feuer warf von seinem dünnen Bart auf die rote Robe, die er immer trug, tanzende Schatten.
»Na«, sagte der Magier mit heiserer Stimme, »sind wir jetzt wach?«
»Nein«, antwortete Jim, der nun über alle Maßen verärgert war, und fügte ohne nachzudenken hinzu: »Ich schlafe noch!«
Plötzlich verschwand alles um ihn herum.
Kapitel 9
JIM SCHWEBTE LANGSAM UND TRÄGE aus der Tiefe der Bewußtlosigkeit hoch. Der Weg zurück in die Welt war bequem und mühelos. Als er sich jedoch immer mehr der Bewußtheit näherte, wuchs in ihm das Gefühl, daß etwas nicht in Ordnung oder schiefgegangen war, unmittelbar bevor er in den tiefen Abgrund fiel, aus dem er jetzt
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