Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
was ist los mit dir? Da kommt plötzlich ein fremder Mann daher, der dich bei sich aufnehmen will, und du willst ihn gar nichts fragen?«
Sofia kam sich noch dümmer vor als ohnehin schon. Besorgt hob sie den Blick, doch der Professor schaute sie wohlwollend an.
» Sind Sie denn sicher, dass Sie ausgerechnet mich haben wollen?«, fragte sie schließlich.
Der Mann lachte so schallend auf, dass es ihn am ganzen Leibe schüttelte. Sofia wurde noch verlegener. Sie zog die Schultern zusammen und versteckte die Hände unter ihren Schenkeln. Wie hatte sie bloß so eine kindische Frage stellen können.
» Du scheinst selbst keine sehr hohe Meinung von dir zu haben«, sagte der Professor, als er sich wieder beruhigt hatte und sich mit dem Finger eine Träne aus dem Augenwinkel wischte.
» Ja, das stimmt«, antwortete sie ganz ehrlich, ohne dass sie es hätte verhindern können.
» Nun, das ist ein Fehler, Sofia, ein großer Fehler«, erklärte er mit plötzlich ganz ernster Miene. » Aber wie auch immer … Ja, Sofia, um dich möchte ich mich kümmern, um niemanden sonst. Glaub mir, du bist etwas Besonderes«, fügte er, wieder mit einem fröhlichen Augenzwinkern, hinzu.
Sofia lächelte verwirrt. » Kannten Sie meinen Vater wirklich?«
» Nicht nur deinen Vater. Alle deine Vorfahren kenne ich. Genau genommen kenne ich deine ganze Geschichte.«
» Nein, so meine ich das nicht«, verbesserte sich Sofia hastig, » haben Sie meinen Vater persönlich gekannt?«
Der Professor blickte sie aufmerksam an. » Du weißt gar nicht, wer er war, oder?«
Sofia sank wieder ein wenig in sich zusammen. » Nein, als ich hierherkam, war ich noch so klein, ich glaube sechs Monate, ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern. Und seitdem habe ich immer nur hier gelebt. Von meinen Eltern weiß ich gar nichts, noch nicht mal, ob sie wirklich tot sind …«
» Doch, Sofia, dein Vater ist schon Jahre tot. Er war ein ganz außerordentlicher Mensch. Aber leider war er sich seiner Fähigkeiten ebenso wenig bewusst wie du. In eurer Familie neigt man offenbar dazu, sich zu unterschätzen.« Georg Schlafen lächelte kurz und wurde dann wieder ernst. » Er starb bei einem schweren Unfall. Aber ich konnte ihm noch versprechen, mich um dich zu kümmern.«
Sofia war das alles noch etwas unklar.
» Und was ist mit meiner Mutter?«
» Tut mir leid, die habe ich nie kennengelernt.«
Sofia kam auch diese Antwort ziemlich ausweichend vor.
» Und … wie war er?«, fragte sie weiter. » Mein Vater, meine ich.«
Der Professor schien sich einen Moment lang in Erinnerungen zu verlieren. » Du bist ihm sehr ähnlich«, antwortete er dann. » Du hast seine Augen und auch seine Haare, während deine Sommersprossen, wie ich annehme, wohl eher eine Gabe deiner Mutter sind.«
» Kein so tolles Geschenk « , dachte Sofia.
» Vor allem habt ihr beide, du und dein Vater, dies hier gemeinsam.«
Und damit zeigte er auf ihre Stirn, auf das Muttermal zwischen ihren Augenbrauen. Sofia schielte auf den Finger, bis sie alles doppelt sah, wandte dann den Blick ab und rieb sich die Augen. Der Professor kicherte.
» Ich wusste gar nicht, dass sich so was vererben kann …«
» Doch, manchmal schon«, antwortete er betont beiläufig.
Wieder entstand ein verlegenes Schweigen.
Der Professor ließ einige » So, nun ja«, gefolgt von unverständlichem Gemurmel vernehmen und lenkte dann das Gespräch auf die üblichen Themen. Er fragte Sofia nach ihren Fortschritten in der Schule, woraufhin sie sich augenblicklich verspannte, weil sie sich wie in einer Prüfung vorkam. Was, wenn sie etwas Falsches sagte? Wenn er gleich erkannte, dass sie nicht gerade eine Musterschülerin war?
Sie räusperte sich und erzählte dann stammelnd vom Unterricht in ihrer Klasse, wobei sie wohlweislich keine Noten erwähnte und sich Mühe gab, einen sehr vagen Überblick über den Stoff zu geben, den sie so durchnahmen.
Doch weit kam sie nicht. » Wie steht es mit deinen Astronomiekenntnissen?«
Sofia verstummte. Astronomie als Schulfach in der Mittelstufe? Das hatte sie noch nie gehört. Ob das in Deutschland anders war? » Na ja, hin und wieder schaue ich in die Sterne …«
Ja, sie liebte die Sterne. Im Winter stand sie manchmal stundenlang draußen herum, auch wenn sie dabei fast erfror, und suchte den Himmel nach Sternen ab. Aber die Lichter der Millionenstadt Rom überstrahlten sie fast alle. Gerade einmal der Große Wagen war ganz schwach zu erkennen und manchmal auch diese
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