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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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arbeiteten und er ihr etwas beibrachte. Für den Professor war sie nicht unsichtbar, so wie zuvor für alle anderen. Er sagte ihr nicht nur, dass sie etwas Besonderes sei, sondern verhielt sich auch so. Sie hatte sich unglaublich gefreut, als er ihr frische Blumen vom Markt ins Zimmer stellen ließ und ihr das erste richtige Kleid kaufte, als wäre sie eine elegante Dame. Er ließ es ihr an nichts fehlen und behandelte sie nie von oben herab. Kein Zweifel, sie bedeutete ihm tatsächlich etwas. Zwar schwiegen sie viel, wenn sie zusammen waren, aber sie empfand dieses Schweigen nie als bedrückend. Häufig hatte sie das Gefühl, dass sie etwas Bestimmtes teilten, dass sie sich sogar ähnlich waren. Genauer konnte sie diese Ahnung nicht beschreiben, doch wenn sie etwa zusammen am See waren und den Sonnenuntergang betrachteten, spürte sie, dass sie die gleiche zehrende Wehmut überkam.
    Einen Wermutstropfen gab es allerdings in der ganzen Geschichte: Sobald Sofia auf ihre Eltern zu sprechen kam, wich der Professor ihr aus. Sie brannte darauf zu erfahren, wer sie gewesen waren und was aus ihnen geworden war, aber auf alle Fragen erhielt sie nur vage Antworten, so als sei ihm das Thema ganz und gar unangenehm. Üblicherweise begann er dann zu stammeln, spielte an seiner Brille herum und versuchte, irgendwie abzulenken. Sofia war enttäuscht, verstummte, und die magische Atmosphäre war dahin.
    Heute aber war sie, nach einem weiteren gescheiterten Versuch, allein in den Wald gelaufen. Es drängte sie danach, sich in der Einsamkeit ihrer trübsinnigen Stimmung hinzugeben. Tief in Gedanken versunken, saß sie da, als sie Thomas nach ihr rufen hörte.
    Bestimmt wollte der Professor mit dem Unterricht beginnen. Das Mädchen stand auf, klopfte sich das Laub von den Hosenbeinen und ging zum Haus zurück, wo sie vorsichtig die Tür hinter sich schloss. Die Kunst, ganz leise zu sein, hatte sie bereits in den ersten Tagen im Haus des Professors gelernt. In der gesamten Villa herrschte eine gedämpfte Atmosphäre, wozu auch die vielen Kerzen beitrugen. Anfangs hatte Sofia dies als bedrückend empfunden, sich aber bald daran gewöhnt, im Schummerlicht durch das Haus zu laufen, fast so wie in einem Traum.
    Als sie den Flur durchquerte, fiel ihr Blick auf eine Zeitung, die auf einem Tischchen lag. Sie gehörte Thomas. Der Professor war nämlich nicht im Geringsten an den Dingen interessiert, die sich in der Welt zutrugen, während sein Diener schon ein wenig darunter litt, so abgeschottet zu leben, in diesem düsteren Haus am See. Außerdem wollte er durch die Zeitungslektüre sein Italienisch verbessern. Dieser kurze Blick auf die aufgeschlagene Zeitungsseite ließ Sofias Herz einen Schlag aussetzen. Sie ergriff das Blatt und las in aller Eile den kurzen Artikel unten auf der Seite » Vermischtes« durch.
    Einen Moment lang stand sie wie erstarrt da, während sie spürte, dass ihr Mund vor Aufregung immer trockener wurde. Dann rannte sie zur Bibliothek und riss die Tür auf.
    Der Professor hob fragend den Blick von einem Buch über Miniaturenmalerei, in dem er gerade las.
    » Es ist etwas Furchtbares passiert«, rief sie, legte ihm die Zeitung auf den Schreibtisch und zeigte auf den Artikel, der sie so schockiert hatte.
    Überfall auf das Waisenhaus Villa Fiorita Unerklärlicher Akt von Vandalismus
    Gestern am späten Abend wurde Villa Fiorita überfallen, ein von Nonnen geleitetes Waisenhaus am Stadtrand Roms, in dem rund dreißig Kinder betreut werden. Noch ist nichts bekannt zu den Motiven oder der Identität der Täter. Offenbar drangen die Einbrecher über das Dach in das Gebäude ein, wo eine Fensterscheibe eingeschlagen wurde. Von dort zogen die Randalierer durch das gesamte Haus und richteten überall Sachschäden an: Sie zertrümmerten Möbel, räumten Schränke und Kommoden aus und hinterließen eigenartige Kratzspuren an den Wänden, die, wie die Experten der Spurensicherung erklären, von einem spitzen Metallgegenstand stammen sollen.
    Einziger Zeuge der Tat ist Giacomo M., ein 13-jähriger Junge, der sofort Alarm schlug. Noch sichtlich unter Schock, gab er an, dass er zur Tatzeit geschlafen hatte. Er sei aufgewacht und habe einen Jungen mit großen Metallflügeln über sich gesehen. Vor Schreck habe er laut aufgeschrien und damit den Eindringling vertrieben, der aus dem Fenster davongeflogen sei. Einige Psychologen prüfen zurzeit, inwieweit die Zeugenaussage des Jungen als zuverlässig gelten kann. Die Ermittlungen sind

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