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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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der Mitte des Raumes.
    Mit einer Verbeugung trat der Diener ein.
    » Nun, Thomas, ich glaube, der Zeitpunkt, den wir so gefürchtet haben, ist gekommen«, erklärte der Professor trocken.
    Ruckartig richtete sich der Diener auf. » Ist er zurückgekehrt?«
    Indem er auf den Artikel zeigte, reichte der Professor ihm die Zeitung. » Hast du das nicht gelesen?«
    Der Diener wurde blass. » Verzeihung, gnädiger Herr, das wollte ich gerade, aber ich wurde abgelenkt …«
    Der Professor hob eine Hand. » Keine Sorge, das sollte kein Vorwurf sein. Sofias Waisenhaus ist überfallen worden, und nun möchte sie natürlich wissen, wie es den Leuten geht, die sie dort kennt. Zum Glück konnte ich sie davon abbringen, dorthin zu fahren. Natürlich wäre das viel zu gefährlich. Falls es tatsächlich sein Werk ist, wie ich fürchte. Aber morgen bringst du sie zur Bar, damit sie von dort aus anrufen kann. Und denk dran, die Augen offen zu halten. Auch heute Abend ist größere Wachsamkeit geboten.«
    » Soll ich vielleicht die Barriere aktivieren?«
    » Ja, ich denke, das wird das Beste sein.«
    Ein kurzes Schweigen folgte.
    » Ich hätte nicht geglaubt, dass wir diesen Tag tatsächlich einmal erleben werden«, seufzte Thomas schließlich mit betrübter Miene.
    » Ich habe nicht daran gezweifelt. Als ich Sofia fand, wusste ich gleich, dass es bald so weit sein würde«, erwiderte Professor Schlafen. » Und die wahren Hintergründe werden wir ihr wohl nicht lange verschweigen können. Im Moment allerdings ist sie noch nicht bereit dazu. Ich werde es so lange wie möglich hinauszögern.«
    Thomas antwortete nicht, starrte nur auf seine Schuhspitzen.
    » Kopf hoch, Thomas. Am Ende ist das Licht immer stärker als die Finsternis. Und nun geh.«
    Der Diener lächelte schwach, dann verneigte er sich und verließ den Raum.

8
    Ein Abend im Zirkus

    Ratatoskr stand allein in der Mitte des düsteren Raumes. Das einzige Licht, das den Zementfußboden ein wenig erhellte, kam von der Sichel des Mondes, der in dieser Nacht schien. Der matte Schein fiel durch ein Fenster ohne Scheibe, das so leer wirkte wie die Augenhöhle eines Schädels.
    Es war ein Raum in einer alten, verlassenen Fabrik, die infolge des Bankrotts des Inhabers hatte schließen müssen. Unkraut hatte sich ausgebreitet, und bald war das Gelände auch von immer mehr Verzweifelten entdeckt worden, die einen trockenen Ort suchten, wo sie sich aufhalten und die Nacht verbringen konnten: Obdachlose, Ausgestoßene und Ausgeschlossene, die die Stadt zurückwies und hier vor den Blicken der anderen verbarg.
    Ratatoskr spürte die Trostlosigkeit, die dieser verfallene Ort verströmte, mit seinen Bewohnern, die sich im unteren Stockwerk ihr Lager eingerichtet hatten, sich mit Zeitungspapier zudeckten und mit alten Kartons warm zu halten versuchten. Dieses Leid, von dem das ganze Gelände durchtränkt schien, sorgte dafür, dass er sich hier heimisch fühlte. Und auch sein Herr und Meister schien sich wohlzufühlen.
    Leise Schritte unterbrachen den Fluss seiner Gedanken.
    » Was grübelst du denn schon wieder, Ratatoskr?«
    Es war Nidas spöttelnde Stimme.
    Ratatoskr drehte sich zu ihr um. Im Mondlicht wirkte die Blässe ihres schönen Gesichts unheimlich und geheimnisvoll. » Nun, erzähl schon«, forderte er sie auf, wobei er sie mit kaltem Blick musterte.
    Sofort verschwand das Lächeln von ihren Lippen. » Wir müssen Verbindung zu unserem Herrn aufnehmen.«
    Ratatoskr verzog das Gesicht zu einer missbilligenden Miene und fuhr sich verärgert durchs Haar. » Das heißt, du hast versagt?«
    » Gedulde dich, ich hab keine Lust, zweimal dieselbe Geschichte zu erzählen. Rufen wir unseren Herr, dann wirst du alles erfahren.«
    Ratatoskr schnaubte ungehalten, ergriff dann aber die Hände der Komplizin, nahm sie zwischen die eigenen und schloss die Augen.
    » O ewige Schlange, wir rufen dich an. Erhöre uns in der Tiefe deiner Verbannung«, beteten sie im Chor. Und das Halbdunkel, von dem sie umgeben waren, verfinsterte sich noch mehr, das Mondlicht wich, um einem zähflüssigen Nichts Platz zu machen. Langsam gerann das Schwarz, in das sie getaucht waren, zu einem Fleck mit verschwommenen Umrissen, und zwei kleine Lichtpunkte blitzten auf in diesem zeit- und formlosen Raum. Augen. Jahrtausendealte, glutrote Augen, in denen unbändiger Hass loderte.
    Nida und Ratatoskr begannen zu zittern. Diese Erscheinung war ihr wahrer Vater, das entsetzliche Urwesen, das sie zum Leben erweckt hatte.

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