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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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diese Villa nicht mehr als ihr Zuhause empfinden. Immer häufiger fragte sie sich deshalb, ob es nicht besser wäre, sich davonzumachen. Andererseits, wenn er recht hatte, lauerten ihr draußen die Feinde auf. Doch vielleicht musste sie denen nur klipp und klar sagen, dass sie mit dieser ganzen Geschichte nichts zu tun hatte und nichts zu tun haben wollte. Denn selbst wenn sie stimmte, hätte sie ja nicht gewusst, was sie mit diesen angeblichen Kräften anfangen sollte.
    Aber wahrscheinlich würde sich das ganze Problem ohnehin irgendwann von selbst erledigen und sie würde ins Waisenhaus zurückkehren. Denn solche Feinde, wie er sie ihr beschrieben hatte, konnten nur seiner blühenden Fantasie entsprungen sein. Schließlich war er wie besessen von diesen fremden Welten und Sagen, die nur abergläubische Menschen für wahr halten konnten. Mit anderen Worten, es war durchaus möglich, dass er ihr diesen ganzen Unsinn nur aufgetischt hatte, um sie zu beeindrucken. Oder vielleicht auch, damit sie sich als etwas Besonderes vorkam. Da sollte er sich doch lieber an diese Lidja halten. Die würde diesen ganzen Quatsch sicher eher glauben. Sie hingegen würde in ihr altes Leben im Waisenhaus zurückkehren, dort bis in alle Ewigkeit ihr Dasein fristen und an Giovannas Seite einfache Arbeiten verrichten. Ein langweiliges Leben ohne große Ziele, das schon. Aber immerhin wäre sie dort unter Menschen, die sie so nahmen, wie sie tatsächlich war, und sie nicht mit solch einer unerträglichen Verantwortung belasteten. Sollten andere doch die Welt retten. Sie würde weiterhin in ihrer vertrauten Welt leben, in der es keine geflügelten Monster und keine Drachen gab. Eine Welt, die zwar grau war, aber auch sicher.
    Jetzt musste sie es nur noch Professor Schlafen sagen.
    In den folgenden Tagen war es seltsam still im Haus. Der Professor pendelte zwischen der Bibliothek und seinem Arbeitszimmer hin und her und Sofia ging ihm aus dem Weg. Bei Tisch mittags und abends blickte sie kaum von ihrem Teller auf, während sie die restliche Zeit des Tages in ihrem Zimmer verbrachte und dort meistens auf den See hinausschaute. Sie vermisste ihn, hatte aber keine Lust, Thomas zu bitten, sie dorthin zu begleiten. Sie brauchte die Einsamkeit und keinen Aufpasser, der sie auf Schritt und Tritt begleitete.
    Sie begann zu lernen. Noch nicht einmal sich selbst wollte sie es eingestehen, aber die Geschichte zog sie in ihren Bann, und sie wollte mehr darüber wissen. Es macht mir eben Spaß, Fantasygeschichten zu lesen, sagte sie sich. Aber das war nicht der Grund. In Wirklichkeit war es ihr Schicksal, das längst begonnen hatte, sie mit seinem Netz zu umgarnen.
    Immer häufiger ging sie in die Bibliothek, wenn sie wusste, dass sie Professor Schlafen dort nicht antreffen würde. Aber es war fast unmöglich, die Bücher aufzuspüren, die von den Dingen handelten, die sie interessierten. Daher beschloss sie, zufällig irgendwelche Bände aus den Regalen zu ziehen, vor allem historische Werke.
    Jeden Abend wenn sie die Schritte des Professors im Flur vor ihrem Zimmer hörte, dachte sie, dass sie zu ihm hinausgehen müsste, um ihn über ihren Entschluss zu informieren und sich von ihm zu verabschieden. Aber irgendetwas hielt sie davon ab.
    Dann kam eines Tages Lidja wieder zu Besuch. Kaum hatte Sofia sie am Arm von Thomas aufs Haus zuspazieren sehen, schnürte eine furchtbare Eifersucht ihr den Magen zu. Die Situation war doch schon kompliziert genug, auch ohne dass sich diese hochnäsige Zicke hier noch hineindrängte. Und als Sofia klar wurde, dass Lidja nicht ihretwegen gekommen war, ärgerte sie sich nur noch mehr.
    Vom oberen Treppenabsatz aus beobachtete sie, wie der Professor Lidja lächelnd willkommen hieß und dann in die Bibliothek führte. Als sie nach zwei Stunden gedämpfter Stille wieder daraus hervortrat, wirkte sie völlig erschüttert. Wortlos, ohne sich zu verabschieden, noch nicht einmal vom Professor, ging sie davon, und man hörte nur noch, wie sie die Haustür hinter sich zuschlug.
    Aber von diesem Tag an kam sie nun jeden Nachmittag. Mit ernstem Gesichtsausdruck und ganz in Gedanken versunken, traf sie ein und ging sofort in die Bibliothek, wo sie sich bis zum Abend bei verschlossener Tür mit dem Professor aufhielt. Nie blieb sie zum Abendessen und schaute auch nie bei Sofia vorbei. Die Neugier machte Sofia immer kribbeliger. Was hatte Lidja hier zu suchen? Was hatten sie und der Professor zu bereden? Aber eins stand fest: Professor

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