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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
Autoren: Licia Troisi
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will sehen, was ich tun kann.«
    Um kein Risiko einzugehen, fesselten sie ihm die Hände und trugen ihn dann in das Verlies hinunter, in den Saal mit der Knospe. Dort ließ sich der Professor ein Holzkistchen bringen, und als er es öffnete, entdeckte Sofia eine Reihe ordentlich einsortierter Messinginstrumente.
    » Ich weiß, du kannst es«, sagte sie leise. Sie war furchtbar erschöpft, wollte aber unbedingt dabei sein, um sich zu vergewissern, dass zumindest dieses eine unschuldige Opfer gerettet wurde.
    Der Professor, dem bereits der Schweiß auf der Stirn stand, lächelte unsicher. » Ich hoffe, dass ich dein Vertrauen in meine Fähigkeiten nicht enttäusche. Die Zeit drängt und ich habe das noch nie versucht«, erklärte er, während er ein kleines Skalpell sowie ein Glasfläschchen zur Hand nahm.
    Er trat zu der Knospe, verneigte sich und murmelte etwas mit leiser Stimme. Dann streckte er die Hand aus, und als er die Knospe vorsichtig einritzte, spürte Sofia, wie es ihr tief in der Seele wehtat. Ein winziger, glitzernder Tropfen löste sich und rann in das Gefäß. Fast durchscheinend und zähflüssig sah er aus, wie der Saft eines Baumes. Es war der kostbare Nektar des Weltenbaums.
    » Hast du ihr wehgetan?«, fragte sie. Tatsächlich nahm sie die Knospe als ein Wesen wahr, das Schmerz empfinden konnte.
    Gedankenversunken schüttelte der Professor den Kopf. » Dies ist Goldenes Harz, die Substanz, die einst dafür sorgte, dass auf der Erde Leben entstehen konnte. Die Knospe ist in der Lage, es zu erneuern, wenn man nicht zu viel davon abzapft. Bis morgen wird sie diesen Tropfen, den ich ihr entnommen habe, ersetzt haben.«
    Nun trat er wieder zu dem Jungen, den sie auf einen Tisch gelegt hatten. Ein Flügel hing schlaff zur Erde hinunter, er röchelte immer noch, sein Gesicht war leichenblass. Er lag auf dem Bauch, und angeekelt betrachtete Sofia die Häkchen, die längs der Wirbelsäule wie winzige Zähne in seinem Fleisch steckten.
    » Nun, soweit ich weiß, gehen alle Verwandlungen dieser Art von einem zentralen Implantat aus«, murmelte Professor Schlafen, während er sich wieder mal die Brille auf der Nase zurechtrückte. Er war angespannt. » In den Büchern steht jedenfalls, dass es eine Stelle am Hals ist, wo dieser Schalter sitzt. Schafft man es, ihn herauszulösen, ist das Problem beseitigt. Aber bis jetzt habe ich das Gerät noch nicht gefunden.«
    Sofia spürte, wie die Aufregung ihr den Magen zuschnürte.
    Der Professor untersuchte Hals und Nacken des Jungen noch genauer und entschloss sich dann zu einem Versuch. Mit einer Pipette saugte er das Goldene Harz aus der Ampulle und gab es auf den obersten Metallwirbel.
    » Hoffentlich ist das die Stelle. Einen zweiten Versuch haben wir nicht.«
    Sofort wurde der Tropfen aufgesogen, aber es regte sich nichts. Dann kündigte ein Quietschen wie von rostigem Metall den Beginn der Rückverwandlung an. Die Flügel schrumpften, die Metallverkleidung über den Armen zog sich zurück, und so ging es weiter, rasend schnell, bis schließlich jeder Zacken zurückgewichen und nur noch eine Art metallenes Rieseninsekt im Nacken übrig war. Dann, nach einigen Augenblicken, löste es sich ebenfalls vom Körper und fiel scheppernd zu Boden.
    Sofia und der Professor beugten sich herunter, um es genauer zu betrachten, und verzogen entsetzt die Gesichter.
    » Geschafft«, rief der Professor triumphierend, als er sich wieder aufrichtete.
    Einen Moment lang schauten sie sich lächelnd an, dann schlang ihm Sofia vor Freude die Arme um den Hals. Der Junge auf dem Tisch wirkte zwar immer noch sehr blass, doch seine fahle Haut nahm langsam wieder einen rosafarbenen Teint an.
    » Danke, Prof, du hast ihn gerettet«, murmelte sie ergriffen.
    Der Professor errötete. » Nun, ganz so unnütz sind wir Hüter wohl doch nicht«, bemerkte er mit gespielter Bescheidenheit. Dann wurde sein Blick wieder sehr ernst. » Was ist eigentlich am See passiert?«
    Sofort spürte Sofia wieder die kurz vergessene Zentnerlast auf ihrer Brust.
    Sie schloss die Augen, gab sich einen Ruck und erzählte dann ohne Pause, was vorgefallen war.
    Schweigend hörte der Professor zu, aber Sofia sah, dass er leicht zitterte, als sie ihm den letzten großen Kampf zwischen Drachen und Lindwurm ausmalte. Zwar wusste er davon durch die Kenntnisse, die ihm als Hüter frühere Generationen vermacht hatten, aber eigene Erinnerungen, wie sie Sofia überkommen hatten, besaß er nicht. Obwohl er erschüttert war,
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