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Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat

Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat

Titel: Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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Rock. Weil sie so viel lächelte, blitzten pausenlos die Goldzähne in ihrem Mund. Es war ein offenes, ehrliches Lächeln. Außerdem rauchte Alma ununterbrochen.
    Als Sofia sie zum ersten Mal gesehen hatte, war sie überrascht gewesen: In ihrer Vorstellung kleideten sich alle Frauen ab einem gewissen Alter schwarz, waren verkniffene Schachteln, so wie die alten Damen, die hin und wieder ins Waisenhaus gekommen waren, um den Kindern abgelegte Kleider zu bringen.
    »Sie ist unseren Wurzeln noch stärker verbunden als ich«, hatte Lidja ihr dann erklärt.
    »Was denn für Wurzeln? Was meinst du damit?«
    »Wir sind Roma, Zigeuner, wie man früher gesagt hat.«
    Darüber hatte sich Sofia noch nie Gedanken gemacht, dabei sah auch Lidja schon ein wenig so aus. Nur war die Freundin kein bisschen so wie die Zigeuner in den Geschichten, die sie gelesen hatte. Jedenfalls hielt es Sofia für ausgeschlossen, dass Lidja oder auch Alma durch die Gegend liefen, die Leute bestahlen oder kleine Kinder entführten. Das schienen doch eher Ammenmärchen zu sein.
    Sofia hielt den Koffer mit beiden Händen, als sie beim Abschied vor dem Haus stand. Sie fühlte sich ein wenig so wie an dem Tag, als der Professor sie im Waisenhaus abgeholt hatte, um sie bei sich aufzunehmen. Mit dem Unterschied allerdings, dass sie damals ein eintöniges Leben hinter sich ließ und in eine herrliche neue Umgebung zog, wo sie endlich auch eine eigene Familie haben sollte. Nun aber verließ sie diesen wunderbaren Ort, an dem der Mensch wohnte, den sie wie niemanden sonst ins Herz geschlossen hatte, und brach in eine sonderbare Stadt auf, von der sie so gut wie nichts wusste.
    Der Professor küsste sie zum Abschied auf beide Wangen, nahm sie in den Arm und drückte sie fest. »Beim Zirkus wird es dir sicher gefallen. Du wirst sehen. Und aus Budapest bringe ich dir etwas Schönes mit«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    Sofia löste sich von ihm und trat auf Alma zu, die, mit der unvermeidlichen Zigarette im Mund, auf sie wartete. Lidja stand neben ihr.
    »Herzlich willkommen in unserer Zirkusfamilie«, begrüßte die Chefin sie, wobei sie ihre Goldzähne blitzen ließ.
    Sofia hatte nur geseufzt, aber nichts erwidert. Das war der Auftakt zu ihrem Zirkusleben gewesen, das nun, als sie mit dem Gesicht in der Riesentorte gelandet war, einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte.

3
Der Albtraum und die alte Frau
    Es war wohl Sonnenuntergang. Alles um sie herum war in ein dunkelviolettes Licht getaucht. Selbst der Himmel hatte diese Farbe, so als habe jemand mit einem Pinsel alles bis in den letzten Winkel auf diese Weise gestrichen und alle Farben verwischt.
    Doch obwohl es noch nicht richtig dunkel war, konnte Sofia nicht die kleinste Einzelheit der Umgebung erkennen. Zwar nahm sie wahr, dass dort Gebäude standen, konnte sie auch in gewisser Weise sehen, aber ohne sie klar unterscheiden zu können. Für ihre Augen waren es nur einförmige Klötze, die dicht an dicht wie Steine in einem gigantischen Dominospiel aneinandergereiht waren.
    Ihre Schritte hallten vom Pflaster wider. Ein hartes, klackendes Geräusch, das sich mit unzähligen Echos fortsetzte.
    ›Hufgetrappel‹, schoss es ihr durch den Kopf. Dabei trug sie wie gewöhnlich Turnschuhe, ihre neuen blauen, die ihr so gut gefielen.
    Während sie weiterging, versuchte sie, irgendwelche Einzelheiten dieser unwirklichen Stadtlandschaft zu erkennen. Aber es gelang ihr nicht.
    Da spürte sie, dass sich der Boden bewegte. Es war ein dumpfes Vibrieren, das ihr über den Rücken bis zu den Ohren hinaufkroch, wo es in ein unheimliches Knurren überging.
    Sie kannte das Geräusch, konnte es aber nicht benennen. Sie wusste nur, dass sie Angst hatte, wahnsinnige Angst.
    ›Jetzt kommt er‹, dachte sie in banger Erwartung.
    Die Straße schien lebendig zu werden. Unter den Sohlen ihrer Sportschuhe spürte sie es, noch bevor sie die schlängelnde Bewegung des Pflasters ausmachte, jenes gemächliche Sich-Winden eines Lebewesens unter ihr.
    Wie von Wellen erfasst, hob und senkte sich die Straße, zunächst noch bedächtig, bald schon immer wilder.
    So wild, dass Sofia zu Boden stürzte. Doch als ihre Hände das Pflaster berührten, waren das keine rauen Steine, sondern etwas Kaltes, Glitschiges: Schuppen.
    Als sie sich erschrocken umschaute, erkannte sie, dass die Straße verschwunden war. An ihre Stelle war der mächtige Körper eines schlangenartigen Wesens getreten, das sich wütend hin und her warf. Sofia musste sich an

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