Drachenseele (German Edition)
Das war seine umsorgende Clara, ganz so wie er sie kannte. „Wo ist dein Verstand geblieben, Marcus Sonntag?“
„Höre mir doch bitte erst mal zu.“ Er nahm seine Hände zurück, auf denen Clara immer noch herumknetete.
„Dass du Angst davor hast, ist ganz normal. Deshalb bin ich ja auch hier. Du wirst jetzt deine Sachen packen und dann werde ich dich in die Klinik begleiten!“
„Nein!“ Er stand auf. „Das werde ich nicht! Es geht hier nicht um Angst.“
„Oh doch, du hast Angst.“
Er hob seine rechte Hand, „bitte lass mich doch mal ausreden.“
Sie nickte.
„Was auch immer letzte Woche diese verdammten Kopfschmerzen ausgelöst hat, es ist nichts, was die Ärzte kennen oder in ihren Lehrbüchern finden. Im Grunde wissen sie gar nicht, was sie mit mir anfangen sollen. Für die Rolle eines Ve r suchskaninchens bin ich nicht bereit.“ Er musste jetzt tief durchatmen. Clara konterte bestimmt gleich, doch zunächst wirkte sie nur nachdenklich.
„Was hältst du davon, wenn wir uns morgen gemeinsam von den Ärzten beraten lassen?“
Seine Botschaft kam bei Clara nicht an, sie kapierte es nicht.
„Nichts! Ich halte von diesen Medizinern nichts und erst recht nichts von ihrer falschen Diagnose.“ Deutlich betonte er jedes einzelne Wort. „Ich will keine Bestrahlung.“ Er ging im Zimmer auf und ab. „Ja, vielleicht habe ich Angst, aber mehr vor diesen Ärzten, als vor dem Tod.“ Er sah Clara ins Gesicht. „Diese Ärzte sind völlig überfordert. Bitte akzeptiere meine Entscheidung.“
Sie schluckte heftig. „Komm her.“ Sie streckte ihm die Arme entgegen, seufzte tief, als sie Marcus umarmte.
„Danke, dass du gekommen bist.“ Er wollte dieses leidige Thema beenden. „Kannst du mir helfen?“ Sie schaute auf. „Jemand hat die Wohnung renoviert, genauso wie ich es mir immer vorgestellt habe. Ich muss herausfinden, wer dahinter steckt.“
Clara lächelte, es sah sehr gequält aus. „Thomas meinte, eine Umzugsfirma hätte deine Sachen abgeholt.“
Marcus ging ins Badezimmer und zog sich das T-Shirt aus. „Ich habe die Telefonnummer der Firma.“ Wäre er zehn Jahre jünger würde er anfangen an die gute Fee zu glauben. Er suchte im Wohnzimmer frische Kleidung aus einem der Umzugskartons. „Ich geh schnell duschen, dann werde ich einkaufen gehen und danach machen wir es uns hier gemütlich, feiern unser Wiedersehen.“
„Nein. Du gehst in Ruhe duschen und ich gehe unterdessen einkaufen. Was soll ich uns kochen?“
Ja, das war Clara. „Nudeln mit Rindfleisch.“ Der Gedanke an dieses köstliche Gericht zauberte spürbar ein Grinsen in sein Gesicht.
Sie lachte herzhaft. Trotz der paar Falten sah man ihr die dreiundsechzig Jahre nicht an. „Warum frage ich auch. Ich weiß doch, wie gern du das isst.“ Sie griff nach ihrer Geldbörse und nach seinem Wohnungsschlüssel. „Ich nehme ihn mit, dann kannst du ungestört duschen.“
Quarantäne
M arcus trocknete sich gerade ab, als jemand an seine Wohnungstür klopfte. Lauschend ging er ins Wohnzimmer.
„Marcus?“ Für einen Moment blieb es still, dann wieder ein Klopfen. „Ist alles in Ordnung? Geht es dir gut? Hier ist Dr. Stelzer.“ Sie pochte erneut, diesmal energischer. „Marcus, hörst du mich?“
Das ging hier heute zu, wie auf einem Bahnhof. Warum ließ man ihn nicht endlich in Ruhe. Die Psychologin zog mit ihrer Nummer die Aufmerksamkeit des ganzen Hauses auf sich. Eiligst schlüpfte Marcus in seine Unterhose und öffnete die Tür.
„Marcus, Gott sei dank! Ich habe mir Sorgen gemacht.“ Dr. Stelzer stand mit Mundschutz, Gummihandschuhen und einem langen Kittel vor ihm. Er verspürte keine Lust auf ihre Psychosätze, die ihm noch tagelang im Kopf herumgeistern würden. „Mir geht’s großartig. Sind Sie jetzt zufrieden?“
„Ich muss mit dir reden. Darf ich reinkommen?“
Er atmete tief. Um sie möglichst schnell wieder loszuwerden, musste er sie hereinbitten. Wortlos trat er zur Seite und machte eine einladende Handbewegung.
„Danke.“
„Also, was ist?“ Wenn jetzt noch Carla auftauchen würde, wäre die Gehirnwäsche perfekt. Neugierig warf die Ärztin einen Blick ins Wohnzimmer. „Ich muss dich bitten, mitzukommen.“
Kapierte diese Psychotante das nicht? „Ich werde ganz bestimmt nicht mitkommen.“
„Das wirst du müssen, Marcus. In deinem Blut sind gefährliche Erreger gefunden worden. Wir haben die Pflicht, dich in Quarantäne zu nehmen.“
Dieser Satz erschien ihm wie ein Schlag auf den Kopf.
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