Drachenseele (German Edition)
zu einem Schatz.
„Ich bin heute noch nicht zum Einkaufen gekommen. Falls du morgen beim Früh s tücken ...“
„Ja klar. Du kannst jederzeit rüber kommen.“
„Ich glaube, du hast keine Ahnung, welchen großen Gefallen du mir damit tust. Vielleicht könntest du mich um 6:00 Uhr wecken? Ich habe meinen Wecker noch nicht gefunden. Es wäre peinlich, wenn ich morgen nicht pünktlich auf der Baustelle bin.“
„Baustelle? Aber du bist doch sicherlich noch krankgeschrieben. Du solltest besser auf deinen Körper hören und ihm noch Ruhe gönnen.“
„Nein, nein. Ich bekomme das schon hin. Wegen der letzten Woche wird es genug Ärger geben.“ Ganz bestimmt sogar. Jetzt wollte er sich ausruhen, ein bisschen schlafen.
Nicole hatte ihn pünktlich geweckt und ihn mit knusprigem Toast sowie heißem Kaffee verwöhnt. Zu Marcus Überraschung gab es keine Probleme mit seinem Boss. Das Kranke n haus hatte ihn über Marcus Einlieferung informiert. Deshalb wunderte sich sein Chef eher über Marcus’ unerwartetes E r scheinen. Abgesehen von leichter Müdigkeit, die gegen Mittag auftauchte, fühlte sich Marcus ausgezeichnet. Dabei fiel ihm auf, dass er kein Bedürfnis mehr nach einer Zigarette verspürte. Ging es ihm deshalb so gut?
Es gelang ihm fast diese Tumorgeschichte zu verdrängen. Lediglich der Satz dieser Psychologin kehrte für kurze Momente in seine Gedanken zurück.
Erschöpft ging er an diesem Abend nach Hause. Er sehnte sich nach der Ruhe seinen eigenen vier Wände. Beim Aufschließen der Haustür nahm er ein Gespräch wahr, welches mit j e dem Schritt nach oben deutlicher wurde.
„Nein, nein, er ist heute Morgen zur Arbeit gegangen.“ Nicole sah ihn in diesem Augenblick die Treppen hochkommen. Clara drehte sich schnell um. „Gott, Marcus! Bist du von allen guten Geistern verlassen?“
„Clara!“ Noch gestern hatte er an sie gedacht und nun stand sie vor ihm. Fest nahm er sie in den Arm, genoss den Moment der Geborgenheit, die sie ihm schon immer vermitteln konnte. Sie löste sich aus der Umarmung. „Ich komme gerade aus dem Krankenhaus. Dr. Stelzer ...“
„Bitte! Können wir drinnen weiter reden?“ Nicole musste das alles nicht wissen. Marcus schloss seine Wohnungstür auf, schob Clara in den kleinen Flur. Dann wandte er sich mit einer entschuldigenden Geste zu Nicole. „Danke noch mal für heute Morgen.“
„Gern geschehen.“ Sie klang verwirrt, musterte ihn intensiv. Was hatte Clara ihr nur erzählt? Nachdem Marcus die Tür hinter sich geschlossen hatte, sah Clara ihn mit einer Mischung aus Sorge und Ärger an. „Im Krankenhaus sagen sie, du seiest sehr krank und würdest jede ärztliche Hilfe ablehnen. Marcus, was ist denn nur passiert?“ Sie kam dicht an ihn heran.
„Bitte setzte dich.“ Die ärztliche Schweigepflicht nahm das Krankenhaus offensichtlich ernst.
Clara ließ sich auf den Sessel fallen. „Thomas rief mich vorgestern an. Ich habe gleich versucht, alles so zu organisieren, damit ich dich besuchen kann.“
„Ich weiß das zu schätzen.“ Marcus dachte an die Zeit im Heim zurück. Zu Clara hatte er einen besonderen Draht, was aber auf Gegenseitigkeit beruhte. „Mir geht’s wieder gut, ehrlich.“
Clara schoss aus dem Sessel hoch, „Dr. Stelzer glaubt, du würdest den Ernst der Lage nicht erkennen und die Diagnose ignorieren.“ Sie packte seine Arme. „Marcus, was haben sie gefunden?“
Er schloss kurz die Augen. „Sie irren sich. Ihre ganzen Prognosen treffen nicht zu und ich glaube ihnen nicht. Für sie bin ich nur ein Versuchskaninchen ...“
„Was ist es?“ Ihr Griff wurde fester. Er schüttelte den Kopf. „Angeblich wollen sie einen Hirntumor gefunden haben. Aber ich weiß, das es nicht stimmt.“
Clara ließ ihn los, warf sich die Hand vor den Mund. Sie ging einige Schritte rückwärts, plumpste dann in den Sessel. Ihr Gesicht wirkte mit einem Mal unnatürlich blass. Der Anblick fühlte sich nach einem Schlag in die Magengrube an. Nein, das ha t te er nicht gewollt. Er kniete sich vor sie und nahm ihre Hände. „Hör auf, dir Sorgen zu machen. Ich ... „
„Ich soll mir keine Sorgen machen?“ Das Fahle aus ihrem Gesicht verschwand, verwandelte sich in eine heftige Röte. „Eine ganze Woche lang liegst du ohne Bewusstsein im Kranke n haus und ich soll mir keine Sorgen machen?“ Sie hob ihre Stimme weiter an. „Wie kannst du einen Hirntumor einfach ignorieren? Du führst dich auf wie ein kleines Kind, das die Wahrheit nicht sehen will.“
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