Drachenseele (German Edition)
ziehen, die durch Thomas’ Rücksichtslosigkeit selten ausschlafen durften. Beim Verlassen des Badezimmers musterte ihn Thomas.
„Warum musst du immer vor mir aufs Klo? Scheiße, siehst du ätzend aus. Hast wieder die ganze Nacht deine Nase in Bücher gesteckt, was?“
Marcus schaute zur Seite. Er fühlte sich nicht berufen mit Thomas Konversation zu üben. Worüber auch? Mit Büchern konnte Thomas nichts anfangen und für Computerspiele hegte Marcus kein Interesse. In solchen Momenten wie diesem fragte er sich oft, welche Aufgabe das Leben für ihn b e reithielt.
Dreißig Minuten später saß Marcus, wie jeden Morgen, in der Straßenbahn. Seine Kopfschmerzen verstärkten sich und das ausgerechnet heute, wo er so viel zu erledigen hatte. Gleich nach Feierabend wollte er den Mietvertrag unterschreiben. Allein der Gedanke an seine eigenen vier Wände brachten seine Mun d winkel zum Zucken. Zur Krönung dieses Augenblicks stieg dieses hübsche Mädchen ein. Schon oft hatte Marcus sie zu dieser Zeit hier gesehen. Ihre großen hellbraunen Augen glän z ten wie Morgentau, einfach magisch. Ihre Blicke trafen sich häufig. Sie schien ihm gegenüber nicht abgeneigt zu sein. Ein Grund mehr sie anzusprechen aber erst, wenn er seine Wohnung bezogen hatte. Sie verließ die Straßenbahn zwei Stationen früher als er und lächelte ihm meist zu. Heute zwinkerte sie ihm sogar beim Aussteigen zu. Marcus spürte ein warmes kribbelndes Gefühl in seinem Bauch, so, als würde ein Hornissenschwarm d a rin brummen.
Bis zum Mittag verstärkten sich seine Kopfschmerzen kontinuierlich. Selbst seine Zigarette schmeckte ihm nicht mehr. Mit diesem Brummschädel konnte er unmöglich weiterarbeiten. Die Schweißarbeiten oben an der Kuppel bedurften seiner vollen Konzentration. Deshalb lief er in seiner Mi t tagspause in die Apotheke, um sich Schmerztabletten zu besorgen. Bis zum Fe i erabend brauchte er vier Tabletten, obwohl er bisher noch nie Medikamente benötigt hatte. Auf dem Weg zum Büro der Wohngenossenschaft spürte Ma r cus ein wunderbares Gefühl der Freude, der Euphorie, in sich wachsen. Bereits bei der Wohnungsbesichtung vor zwei W o chen empfand Marcus die Leute der Genossenschaft als sehr zuvorkommend. Derweil die freundliche Dame Marcus über die Hausordnung aufklärte, bemerkte er, wie sein zufriedenes Grinsen immer breiter wurde. Seine eigenen vier Wände! Als er den Stift zum Unterschreiben ansetzte, fühlte er sich fast wie ein König bei seiner Krönung. Seinem Schritt in die Freiheit stand nun nichts mehr im Wege. In den kommenden zwei Tagen blieben seine Kopfschmerzen hartnäckig und entwickelten eine Heftigkeit, die nahezu unerträglich war. Zeitweise verspürte er massive Übelkeit, die ihm sogar das Rauchen vermieste, so dass er tatsächlich in Erwägung zog, es aufzugeben. Aber viel nervender waren seine Se h störungen. Es gab Momente, in denen er nur verschwommen seine Umwelt erkennen konnte. Dieses Phänomen hielt zum Glück nur wenige Sekunden. Marcus steigerte seinen Tablette n konsum in den kommenden zwei Tagen. Trotz der regelmäß i gen Einnahme schienen seine Beschwerden schlimmer, statt besser, zu werden. Deshalb ließ er sich in einer Apotheke stä r kere Medikamente geben. Ihm kam das erste Mal in seinem Leben der Gedanke, einen Arzt aufzusuchen. Die Apothekerin hatte ihm auch dringend dazu geraten. Aber erst morgen, denn heute war sein lang ersehnter Tag. Nach Feierabend sollte er seinen Wohnungsschlüssel ausgehändigt bekommen und dies wollte er für nichts in der Welt verschieben müssen. Doch seine Kopfschmerzen trübten den bedeutenden Augenblick, den Moment, als er vor seiner eigenen Wohnungstür stand. Mit Stolz erfüllt hielt er den Schlüssel parat. Plötzlich begannen seine Hände zu zittern, nicht vor Aufregung, nein, vor steche n den Schmerzen. Marcus hatte das Gefühl, als würde ein Messer sein Gehirn spalten. Es kam ihm wie ein Krampf vor, der se i nen ganzen Körper erfasste. Heftige Übelkeit machte ihm z u sätzlich zu schaffen. Die Tür vor ihm erschien rund, als schaue er durch einen Türspion, auch seine Knie zitterten. Jetzt war der feierl i che Moment gekommen und den wollte er sich nicht kaputt machen lassen. Diesen nervigen Symptomen musste er die Stirn bieten! Mit einem tiefen Ate m zug kämpfte er dagegen an. Das trockene Gefühl in seinem Mund verstärkte sich. Noch bevor er versuchte den Schlüssel ins Schloss zu stecken, suchte ihn die nächste Schmerzattacke
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