Drachenseele (German Edition)
Nicole den Namen Marcus nie erwähnt. Ein großer Vorteil.
„Vor drei Tagen hatte sich Nicole mit ihren Eltern getroffen. Als sie nach Hause kam, war sie sehr durcheinander, erzählte von einem heftigen Streit und dann am nächsten Morgen packte sie ihre Sachen.“
Das klang so gar nicht nach Nicole! Da musste schon etwas sehr Gravierendes vorgefallen sein, um so mehr sehnte er sich danach, sie in seine Arme zu schließen, seine Nicole. Vielleicht ging es um ihren Bruder oder um einen anderen Familienangehörigen, doch selbst in diesem Fall wäre sie doch nicht gleich ausgezogen. Es könnte mit ihrem Lebenspartner zusamme n hängen. Der Kerl hatte eine üble Vergangenheit und ihre Eltern legten ihr nahe auszuziehen. Wie auch immer, ihre Beweggrü n de würde er durch Grübeln nicht herausfinden. So schwer es ihm fiel, er musste abwarten, sich in Geduld üben.
Eigentlich wollte er so bald wie möglich das Haus seiner Eltern aufsuchen, allerdings gemeinsam mit Nicole. Die letzten zwei Wochen hatte Nikolaj ihn zur Drachenzeit, also zu Vollmond, aus London gebracht und wieder tickte jetzt seine Uhr. Wie seine Geschwister das wohl während ihres Studiums hä n delten? Danach fragen wollte er sie jedoch nicht, zu verschieden waren ihre Einstellungen, ja ihr ganzes Leben.
Die kommenden zwei Tage versuchte sich Narvalvar von Nicoles Verschwinden abzulenken. Er spekulierte in Gedanken die verrücktesten Möglichkeiten durch. Natürlich ohne jedes E r gebnis, denn außer der Aussage ihres Exfreundes gab es keine Indizien, an die er anknüpfen konnte. Am Abend brachte ein Anruf von Stones eine kleine Ablenkung.
„Da ich Richards Sohn endlich ausfindig machen konnte, wird es übermorgen einen Trauergottesdienst geben. William wird Euch morgen abholen und hier nach Ramsy Island fahren. Es war Richards Bitte, dass Ihr seine Asche gemeinsam mit seinem Sohn übers Meer verstreut.“
Narvalvar spürte, wie der Kloß in seinem Hals seine Stimmlage veränderte. „Es ist mir eine große Ehre, seinem Wunsch nachzukommen.“
„Wie kommt Ihr mit Eurem Drachenwächter zurecht?“
„Nikolaj wird mir mit jedem Tag vertrauter, wenn auch immer dieser bittere Beigeschmack bleibt, ihn nur durch den Tod meines Vater gewonnen zu haben.“
„Diesbezüglich möchte ich mich morgen mit Euch unter vier Augen unterhalten.“ Stones klang gar nicht vorwurfsvoll. Er durfte also gespannt sein, was Stones mit ihm zu besprechen hatte. Vielleicht gab es einen Anwärter auf Richards Amt oder Stones entschied sich dagegen einen neuen Drachenarzt einzustellen. Möglicherweise hatte das Gespräch gar nichts damit zu tun. Stones wollte Nikolaj jemand anderem anvertrauen und Narvalvar stand mal wieder ohne einen Wächter da, was bede u ten würde, er käme ins Gefängnis zurück. Ohne einen Dr a chenwächter durfte er laut Stones kein freies Leben führen.
Scheiße! Seine glücklichen Tage waren gezählt. Deshalb fragte ihn auch Stones, wie er mit Nikolaj zurecht kam. Aber wer sollte jetzt die Aufgabe des Generals übernehmen? Was ihm auch immer durch den Kopf ging, er musste sich bis morgen gedu l den. Als er begann seine Sachen in die Reisetasche zu stopfen, beschlich ihn ein Gefühl von Abschied, ihm war, als würde er nicht nach London, nicht in die vertraute Pension, zurückke h ren. Seine Gedanken an eine erneute Gefangenschaft flammten damit wieder auf.
Auch wenn Nikolaj eine solche Möglichkeit für ausgeschlossen hielt, konnte Narvalvar seine Befürchtungen nicht abstellen.
Nravalvar und Nikolaj tranken gerade ihren letzten Schluck Tee, als William den kleinen Frühstücksraum betrat. Er hatte erst gegen ein Uhr morgens London erreicht, zu allem Überfluss die Orientierung zur bekannten Pension verloren, die Richard für seine Gäste zu reservieren pflegte. Narvalvar beschlich weiter dieses Gefühl von endgültigem Abschied. Eine r seits stand es ihm frei zu gehen, wann er wollte, mit Nikolaj einfach davon zu fahren. Doch Richards Bitte konnte er u n möglich ignorieren. Er musste den Weg nach Ramsy Island auf sich nehmen, sich dem Gespräch mit Stones stellen, was auch immer dabei herauskam.
Während William sein Frühstück einnahm, brachten Nikolaj und Narvalvar den Leihwagen zurück. Erinnerungen an die Tage mit Richard, wo er ebenfalls mit Bus und Untergrundbahn unterwegs gewesen war, schien ihm heute schon eine kleine Unendlichkeit her zu sein. Wie sie dann mit ihrem Gepäck, William als Fahrer, im geräumigen
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