Drachenseele (German Edition)
durch jede Zelle seines Körpers, dabei zuckte er zusammen.
„Sie kommen Euretwegen. Kann ich noch etwas für Euch tun?“ Narvalvar wartete einen Moment. „Richard?“, doch es blieb still. Stattdessen konnte er draußen auf dem Flur Stones erstaunte Stimme hören.
„Nikolaj? Wo ist Narvalvar?“ Allein schon der Tonfall ließ Ärger erahnen. Narvalvar wollte nicht in kniender Stellung seine Strafe empfangen, eilte in die Höhe und öffnete die Tür.
Stones starrte ihn mit entsetztem Blick an. „Ihr wagt es, nach diesem Telefonat mir unter die Augen zu treten?“
Nach diesen Worten wusste Narvalvar nicht, was er antworten sollte. Er hob seinen Kopf ein Stück in die Höhe.
„Ihr habt mehr Mut, als ich Euch zugetraut habe.“ Stones wies mit der Hand ins Wohnzimmer. „Euch dürfte klar sein, dass Eure Dreistigkeit Konsequenzen hat.“
Stones nahm auf dem Sessel Platz, während Nikolaj sich mit Narvalvar auf das Sofa setzte.
„Zuerst werde ich mich um Richard kümmern, der Bestatter wollte in einer halben Stunde hier sein. Ich habe versucht John zu erreichen, aber seine Telefonnummer ist nicht erreichbar, vermutlich wohnt er da gar nicht mehr.“
„Sicherlich werden Sie das Problem lösen.“
„Euer Unterton gefällt mir nicht, Narvalvar!“ Stones beugte sich ein Stück vor.
„Ich bin untröstlich, Stones.“ Narvalvar legte in den Namen seine ganze Wut. „Ich habe in den letzten drei Jahren eine Menge lernen können, aber dass man für die Wahrheit bestraft wird, ist mir neu.“
„Ihr seid unverschämt!“ Stones stand auf. In seinem Gesicht zeigte sich eine unübersehbare Röte.
„Wirklich? Dann gibt es für Richard also bereits einen Nachfolger?“
Stones riss die Augen auf, er schluckte hart.
„Wenn ich etwas angestellt habe, werde ich dafür gerade stehen, dann bin ich für Ihre Strafe auch aufgeschlossen. In diesem Fall sehe ich allerdings keine Notwendigkeit.“ Narvalvar stand ebenfalls auf. Stones öffnete seinen Mund, vermutlich wollte er widersprechen, doch Narvalvar legte in seinen Blick alle Verachtung, die er in seinem Inneren finden konnte. Mit dem Stolz eines Drachens hob er den Kopf in die Höhe und verließ die Wohnung. Nikolaj eilte ihm nach.
„Huh! Meine Herrn! Ich wünschte, das hätte Euer Vater miterlebt.“
Vor der Haustür blieb Narvalvar stehen. „Schlimm genug, dass man Nathus erschossen hat und genau deshalb kann ich diesen Zustand des fehlenden Drachenarztes nicht schweigend hinnehmen.“
„Das erwartet auch niemand. Im Grunde ist Stones sich seines Fehlverhaltens auch bewusst.“
Narvalvar sah Nikolaj ins Gesicht. „Ach wirklich?“
Nikolaj schloss den Wagen auf, hielt Narvalvar die Beifahrertür auf, „er kann sich eben keine Fehler eingestehen, schon gar nicht, wenn dabei ein Drachenleben verloren geht.“
Das ergab natürlich einen Sinn. Aber warum musste es ausgerechnet seinen Vater treffen? Während er sich ins Auto setzte, versank Narvalvar in Erinnerung an die letzten drei Jahre.
Hätte er doch nur vorher gewusst, dass der grimmige General sein Vater war. So viele, so unendlich viele Fragen hätte er Nathus stellen wollen, vor allem nach seiner Mutter, nach ihrem Erscheinungsbild als Drache und auch als Mensch.
Vor ihrem Wagen parkte ein schwarzer Bus. Zwei Männer stiegen aus, gingen um das Auto herum, um die Hecktüren zu öffnen und einen Sarg herauszuziehen. Narvalvar musste zur Seite schauen. Dieser Anblick versetzte ihm einen schmerzvollen Hieb in die Magengrube. Nun begann Richards letzte Reise, in einer Holzkiste. Wie angenehm war dagegen doch das Dr a chenende, welches sich in nur wenigen Minuten nach dem Tod zu Staub verwandelte.
Richard!
Narvalvar dachte zurück, an die erste Begegnung mit ihm in der Höhle an seine ehrlich offene Art, die er so sehr an ihm geschätzt hatte. Nun gab es niemanden, der sich um ihn sorgte, auch keinen, der ihn unterrichtete.
Kein Richard, kein General! Ein heftiger Stich durchfuhr sein Inneres. Erst jetzt wurde ihm dieser bewegende Tag mit all seinen Folgen so richtig bewusst. Es gab keinen Ort, den er sein Zuhauses nennen konnte, keine Seele, der er etwas bedeutete.
Er war allein. Er war einsam.
Narvalvar schreckte auf, als vor ihm die zwei Hecktüren des schwarzen Busses geräuschvoll zufielen. Richards letzte Reise.
Narvalvar spürte seinen Hals entsetzlich eng werden. Kaum ein normaler Atemzug wollte ihm gelingen. Dazu setzte ein mörderischer Schmerz ein, der seine Brust zu zerreißen
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