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Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Titel: Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Alderwood
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klettern.
    »Die Hinrichtung ist ausgefallen!«, beschied Waja knapp und half Inna, auf die weichen Polster zu finden, bevor sie sich selbst setzte.
    »Glaubst du, wir werden deine Freunde schon wieder in der Stadt antreffen?«, sagte sie dann zu dem blinden Mädchen. »Sie haben sich doch sicher nicht das von meinem Bruder spendierte Essen entgehen lassen?«
    Inna lächelte: »Vielleicht haben die beiden auch gleich den ganzen Suppenkessel geklaut! Aber ich denke schon, Hohe Frau, dass wir Yoyo und Perk finden. Die Stadt ist menschenleer, wer sich auf den Füßen halten kann, ist zu der Hinrichtung gelaufen. Eine solche Gelegenheit lässt sich doch kein Dieb entgehen!«
    Es war gut, dass Inna das Gesicht Wajas nicht sehen konnte. Die Schwester des Sultans zog eine Grimasse, die schwer zu deuten und irgendwo zwischen Lachen und Weinen angesiedelt war. Waja sah sich kurz zu Nadana und La’ad auf dem Dienstbotenbänkchen um. Die alte Amme und der greise Eunuch saßen sicher auf ihren Plätzen.
    »Kutscher, wir fahren!«, befahl sie.
    »In den Palast Avids?«
    »Nein, zunächst in die Sultansstadt! In die hintere Gasse der Fleischhauer!«
    »Mit Verlaub, Hohe Frau, ich glaube nicht, dass Ihr dort jetzt einen Fleischhauer antrefft, der Euch Vorräte verkauft! Außerdem würde ich Euch lieber die vordere Gasse empfehlen, in der hinteren Gasse kauft nur das niedere Volk, es ist kein Ort für eine Dame Eures Ranges …«
    »Du sollst nicht schwatzen, sondern fahren!«, herrschte Waja den Mann an. Inna kicherte. Der Kutscher schwieg beleidigt und ruckte heftig an den Zügeln. Avids Rappen keilten empört aus und trabten an, endlich setzte sich der Wagen in Bewegung.
    Es war angenehm, durch die leeren Straßen der Stadt zu rollen. Kein störrischer Esel blockierte den Weg, keine kreischenden Kinder liefen dem Wagen nach, kein aufdringlicher Händler beschwatzte die Insassen der Kalesche. Nach einer Weile zügelte der Kutscher die Pferde und ließ das Gefährt halten.
    »Dort hinten, diese schmale Flucht zwischen den Häusern, das ist die hintere Gasse der Fleischhauer. Ich kann sie mit dem Wagen nicht befahren, geschweige denn die Kalesche wenden!« Der Mann wirkte noch immer etwas verschnupft. Waja grub ein Goldstück aus dem Beutel an ihrem Gürtel und reichte es dem Kutscher.
    »Glaubst du, du findest einen Wirt, der nicht draußen auf dem Platz mit dem Scheiterhaufen Maulaffen feilhält? Ich möchte, dass du dir einen Becher guten Weines gönnst. La’ad wird inzwischen auf die Pferde achten!«
    Der Kutscher warf Waja einen skeptischen Blick zu. Es war unwahrscheinlich, dass der tatterige Eunuch in der Lage war, auch nur den frömmsten Gaul zu bändigen, geschweige denn die temperamentvollen Rappen. Aber es war offensichtlich, dass die Schwester des Sultans den Fuhrmann für eine Weile loshaben wollte. Was auch immer Frau Waja in diese zwielichtige Gegend trieb, es schien dem Kutscher seiner Gesundheit zuträglicher, wenn er nichts davon wusste. Er zog die Bremse der Kalesche hart an und trollte sich.
    Waja stieg für ihr Alter recht behände aus dem Wagen. Sie griff nach Innas Hand und dirigierte die Kleine auf das inzwischen von der Sultansschwester höchstselbst ausgeklappte Treppchen am Einstieg der Kalesche. Tastend erreichte das Mädchen das Pflaster der Straße. Waja legte ihre Hände auf die schmalen Schultern des Kindes.
    »Werden deine Freunde herkommen, wenn du nach ihnen rufst?«
    Inna schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Nein, das werden sie nicht tun! Es könnte eine Falle sein. Die Büttel Anadids sind sehr erfinderisch, wenn es darum geht, kleine Gauner einzufangen! Ich werde Yoyo und Perk holen!«
    »Kann ich dir helfen?« Waja griff wieder nach der Hand Innas. Oben auf dem Wagen verzog Nadana missbilligend das Gesicht. Die alte Amme vermied es aber, einen Kommentar dazu abzugeben, als Waja die Kleine an die nächste Hauswand führte. Inna ließ ihre Finger über den rauen Putz gleiten und schnalzte mehrmals mit der Zunge.
    »Danke, Hohe Frau! Ich weiß jetzt, wo wir uns befinden! Bitte wartet hier!«
    Inna ging langsam davon, dabei ließ sie immer eine Hand entlang der Fassaden gleiten und gab ihre seltsamen Schnalzlaute von sich. Geschickt wich sie Hindernissen wie abgestellten Kisten oder den Stangen einer Markise aus. Nadana verkrampfte die Finger beider Hände ineinander und schaute dem Mädchen mit besorgt zusammengekniffenen Augen nach.
    »Ich weiß nicht, manchmal ist mir die Kleine unheimlich!

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