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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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Proband sie besteht. Aber wir wollen herausfinden, was ihm die Kraft geben wird, sich dem Leben zu öffnen. Seine Angst zu überwinden. Seine Scheu vor Menschen.«
    Â»Was soll das denn sein?«, fragte sie verwirrt.
    Â»Hast du keine Idee?«
    Â»Nicht die leiseste.«

XVI
    Xiao Hu lag im Bett, Arme und Beine weit von sich gestreckt, schloss die Augen, zählte bis acht, atmete währenddessen tief ein, spürte, wie sich seine Lunge blähte und mit Sauerstoff füllte, hielt kurz die Luft an, begann erneut mit dem Zählen und ließ den Atem langsam aus seinem Körper weichen. Die Übung sollte er morgens und abends je zwei Dutzend Mal wiederholen; wichtig war es, dabei an nichts zu denken, hatte ihn ein Kollege ermahnt, der seit einer Indienreise vor einigen Monaten regelmäßig Yoga praktizierte. Eine alte Meditationsübung, die helfen sollte, sich für den Tag zu sammeln, Kraft zu schöpfen und mit ganzer Konzentration an die Arbeit zu gehen. Xiao Hu war skeptisch. Ihm bereitete sowohl das stille Liegen als auch das ruhige, gemächliche Atmen Mühe. Die Luft wollte zügig hinein in seinen Körper und wieder hinaus, ganz automatisch - warum dem viel Aufmerksamkeit schenken und sich für jeden Atemzug lange Zeit nehmen? Noch schwerer fiel es ihm, an nichts zu denken. Er versuchte, in seiner Vorstellung ein Bild zu fixieren, aber egal, ob er sich den Jin Mao Tower im Licht der untergehenden Sonne vorstellte, seine neue Bose-Anlage oder die Brüste einer Frau, es dauerte nur Sekunden, und schon jagte wieder ein Gedanke den anderen.
    Zwei Wochen praktizierte er diese Technik bereits, konnte aber keine höhere Konzentrationsfähigkeit feststellen; zwei weitere wollte er noch zugeben, wenn sich dann nichts tat, war Schluss damit.
    Nach dem letzten Atemzug streckte er sich erleichtert, tastete nach seiner Brille auf dem Nachttisch und stand auf. Sein iPhone zeigte 5.15 Uhr und vier neue Kurzmitteilungen, die er schnell überflog, Grüße von Freunden in Amerika und Kanada. Er zog die Vorhänge auf, ein schmaler roter
Streifen am Horizont kündigte die Morgendämmerung an. Xiao Hus Blick wanderte durch das Wohnzimmer und die angrenzende Küche. Er hatte die Wohnung bewusst sparsam eingerichtet, ein schmales Ikea-Sofa vor dem Flachbildschirm an der Wand, ein kleiner Esstisch mit vier Stühlen, ein niedriges Regal für die Anlage und ein paar Bücher, mehr nicht. Platz im Überfluss. Für jemanden, der als Kind mit Eltern und Schwester auf fünfzehn Quadratmetern gelebt und nicht einmal ein eigenes Bett besessen hatte, der sich Küche, Esszimmer, Bad und Toilette mit fünf anderen Familien teilen musste, gab es keinen größeren Luxus.
    Er stellte die Espressomaschine an, zog Sportsachen über, schaltete den Fernseher ein, stieg aufs Fahrrad und drückte das Programm »Schweiz-medium«. Es begann mit einer fünfminütigen Aufwärmphase, bei der Xiao Hu leicht tretend im Fernsehen die Morgennachrichten verfolgte. Der Anstieg wurde steiler. Er musste kräftig in die Pedale treten, spürte sein pochendes Herz, die ersten Schweißperlen auf der Stirn und schon wieder den verdammten Hustenreiz. Seit Tagen lag eine braungraue Smogwolke tief über der Stadt, verschluckte die Spitzen der Wolkenkratzer, und er hatte das Gefühl, dass sie sich durch die Ritzen der undichten Fenster selbst in seiner Wohnung ausbreitete. Die schlechte Luft verstärkte sein Asthma, das in den vergangenen Jahren immer schlimmer geworden war. Es gelang ihm mit Mühe, einen Hustenanfall zu unterdrücken.
    Xiao Hu dachte an seine Schwester und ihr enttäuschtes Gesicht, als er ihr von seinen Gesprächen auf der Parteikonferenz in Hangzhou berichtete. Wie sollte er es ihr erklären? Er hatte alles versucht und nichts erreicht. In einer Sitzungspause hatte er einen Bezirksvorsitzenden aus Yiwu angesprochen, der hatte gleich abgewinkt. Die beiden Mitarbeiter des
Provinzgouverneurs, die er gut kannte, wollten von Sanlitun ebenfalls nichts wissen. Sensibles Thema. Keine Presse, keine Kommentare, auch nicht intern. Anweisung aus Beijing. Es gab Gerüchte über Probleme in manchen Fabriken, niemand wusste etwas Genaues. Ihr Rat: Finger weg.
    Der Hustenreiz wurde schlimmer, er holte tief Luft und stieß einen harten, trockenen Husten hervor, der in der Brust und im Rachen wehtat und nicht aufhören wollte. Xiao Hu hustete und keuchte

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