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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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zusammenfahren.
    Â»Jetzt erzählen Sie mir noch einmal in Ruhe, was passiert ist«, bat Chen nach einer Weile. Nachdem Paul seinen Bericht beendet hatte, steuerte der Anwalt eine gerade frei gewordene Bank an, und sie setzten sich.

    Â»Und Gao hat allen Ernstes behauptet, ich könne Ihnen helfen?«
    Â»Ja, das hat er«, sagte Yin-Yin entschieden. Paul entnahm ihrer Stimme, dass sie sich nicht mit einer Es-tut-mir-leiddass-ich-nichts-für-Sie-tun-kann-Antwort zufrieden geben wollte.
    Chen seufzte. »Ich bin Wirtschaftsanwalt. Ich berate Firmen bei Übernahmen und Immobiliengeschäften. Ich habe im Strafrecht angefangen, aber das ist lange her. Was ich jetzt mache ist, ich gebe es gern zu, weitaus lukrativer.«
    Â»Warum hat Gao Sie uns dann empfohlen?«, fragte Yin-Yin misstrauisch.
    Â»Weil wir gut befreundet sind. Wir haben zusammen studiert. Hatten die beiden besten Abschlüsse unseres Jahrgangs in der ganzen Provinz Zhejiang. Wir arbeiteten danach für ein paar Jahre in derselben Kanzlei, hauptsächlich Zivilund Strafrecht. Eines Tages standen zwei Bauern in meinem Büro. Ein Parteikader hatte ihnen widerrechtlich Land weggenommen, ohne sie entsprechend zu entschädigen. Das passiert täglich.«
    Â»Und?«
    Â»Ich habe sie weggeschickt. Kurz drauf bekam ich das Angebot aus Shanghai von einer Kanzlei für Wirtschaftsrecht.«
    Â»Hatte nicht Gao einen ähnlichen Fall?«, wunderte sich Yin-Yin.
    Â»Ja, aber Jahre später. Ich weiß bis heute nicht, ob es Zufall war, oder ob uns jemand testen wollte. Gao hat ihn angenommen. Die Folgen, die es für ihn hatte, haben Sie gesehen.«
    Â»Er wirkte nicht niedergeschlagen«, sagte Paul.
    Â»Da haben Sie Recht. Gao ist mit sich im Reinen. Der einzige Mensch, den ich kenne, von dem ich das behaupten
würde. Dafür bewundere ich ihn. Manchmal leiste ich ihm kleine Freundschaftsdienste.«
    Â»In welcher Art?«
    Â»Ich berate ihn bei komplizierten Geschichten. Setze hin und wieder Schriftstücke für ihn auf oder lasse einen meiner Mitarbeiter in seiner Angelegenheit recherchieren. Er hat ja sonst niemanden. Wirtschaftsrecht, wissen Sie, ist einträglich, aber auf die Dauer recht langweilig. Man hat doch immer zwei Seelen in seiner Brust. Mindestens. Oder nicht?«, erklärte er mit einem kurzen Lächeln. »Ich fürchte jedoch, Ihre Geschichte ist auch für mich eine Nummer zu groß. Sollten wir ein Gericht finden, das diese Klage annimmt, geht es in diesem Fall nicht mehr darum, Sanlitun zu schützen. Es geht darum, die Regierung zu schützen. Die der Provinz und am Ende auch die in Beijing«, sagte Chen.
    Â»Warum?«, fragte Yin-Yin argwöhnisch.
    Â»Für einen solchen Umweltskandal, oder soll ich es lieber Verbrechen nennen, das wäre treffender, trägt nicht Sanlitun allein die Verantwortung. Beteiligt sind auch die Offiziellen in der Stadtverwaltung von Yiwu. Die Parteikader der Provinz Zhejiang, bis hinauf in die Hauptstadt. Es geht um die Zensur der Medien. Es geht um die Unabhängigkeit unserer Umweltschutzbehörden und unserer Gerichte. Es geht um die Bestechlichkeit der Beamten und Parteifunktionäre. Es geht um die Stellung der Kommunistischen Partei. Sie können auch sagen: Es geht um alles.«
    Ein Junge wollte ihnen Plastikblumen verkaufen, Chen verscheuchte ihn mit einer harschen Handbewegung.
    Â»Ich glaube, es ist etwas viel, was Sie sich vornehmen. Wenn Sie meinen Rat hören wollen: Lassen Sie die Sache auf sich beruhen.«
    Â»Ich hatte von einem Mann wie Ihnen einen originelleren
Vorschlag erwartet«, erwiderte Yin-Yin enttäuscht. »Meine Mutter war bis vor wenigen Wochen eine gesunde Frau. Jetzt liegt sie zu Hause im Bett und kann sich nicht mehr bewegen. Sie stöhnt und röchelt. Sie grunzt wie ein Schwein. Sie ist blind. Sie ist taub. Sie scheißt und pisst ins Bett wie ein Baby, und Sie sagen, ich soll die Geschichte vergessen?«
    Â»Ihre Mutter wird davon nicht wieder gesund.«
    Â»Das habe ich jetzt oft genug gehört«, platzte es voller Wut aus ihr heraus. »Was ist mit den toten und verkrüppelten Kindern?«
    Chen verstummte für eine Weile. Dann antwortete er, jedes seiner Worte mit Bedacht wählend: »Auch die werden nicht wieder lebendig und nicht wieder gesund. Es tut mir leid.«
    Â»Und was ist mit denen, die erst noch geboren werden? Wollen Sie ganz in Ruhe in Ihrem Büro sitzen,

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