Drachensturm
sein Wissen um diese Sprache doch bescheiden. Und wenn ich bedenke, dass Ihr Euch das alles nur nach Gehör einprägt!«
Mila wurde ein wenig verlegen, außerdem empfand sie den Geruch in der Kammer inzwischen als so unangenehm, dass das Bedürfnis nach frischer Luft immer drängender wurde. » Was ist es eigentlich, das hier so stechend riecht, Meister Albrecht?«
» Es stört Euch? Verzeiht, ich bin so daran gewöhnt … Es ist nur ein wenig Salpetersäure, denn ich untersuche einige der Gegenstände, die mir Euer Onkel freundlicherweise überlassen hat. Wisst Ihr, das Silber, das diese Indios verwenden, hat ganz erstaunliche Eigenschaften, und ich bereite einige Ingredienzien zu, um seinem Geheimnis auf den Grund zu gehen.«
» Ist Silber nicht gleich Silber?«, fragte Mila, die dem Tonfall des Gelehrten anhörte, dass ihm dies besonders wichtig war.
» Aber nein, Comtesse! Es unterscheidet sich auf vielfältige Weise, besonders nach seiner Reinheit und nach den Spuren anderer Metalle, die noch in ihm stecken. Dieses Silber hier, es ist besonders rein, und ich frage mich, wo diese Wilden es herhaben. Ja, ich frage mich, ob es in dieser Reinheit aus einem Berg gegraben wurde, oder ob sie einen Weg gefunden haben, es auf andere Art zu reinigen und zu veredeln.«
» Das scheint Euch sehr zu beschäftigen, Meister Albrecht«, stellte Mila fest.
» Könnt Ihr ein Geheimnis bewahren, Comtesse?« Der Alchemist wartete Milas Antwort gar nicht erst ab, sondern sagte mit gesenkter Stimme: » Das ist vielleicht die wichtigste Entdeckung von allen, und das nicht, weil es die Pizarros reich machen wird. Wenn ich Recht habe, können wir hier etwas finden, das den Wert von Gold und Silber in jeder Hinsicht weit übersteigt.«
» Und – was soll das sein?«, fragte Mila verständnislos.
» Ach, ich habe schon zu viel gesagt, Comtesse. Es ist wohl die Erleichterung, endlich mit jemandem zu sprechen, dessen Ohr auch für etwas anderes als das Gerede von Schlachten und Reichtum offen ist. Ich weiß eigentlich noch gar nichts, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Gewissheit, und es ist sehr gut möglich, dass ich mich irre. Doch nun entschuldigt mich. Die Säure hat ihr Werk getan, und ich muss mir das ansehen, bevor die Probe verdirbt.«
Als Mila das Laboratorium verließ, folgten ihr eine beißende Schwade Dampf und der Husten des Alchemisten, der es nach ihrem Empfinden plötzlich doch auffallend eilig gehabt hatte, sie loszuwerden. Als sie mit Ruiz die Treppe hinaufging, kam ihr jemand entgegen. Es war Konrad von Wolfegg, der sie nur knapp grüßte. Sie erwiderte den Gruß ebenso knapp und lauschte, als sie weitergingen, auf seine Schritte. Zunächst dachte sie, er wollte vielleicht zu den Gefangenen, aber dann stellte sie erstaunt fest, dass er sich in das Laboratorium des Alchemisten begab.
Kemaq rannte durch die Felder. Sein Blick war oft zum Himmel gerichtet, doch außer Möwen und Seeschwalben war dort kein fliegendes Wesen zu sehen. Er fragte sich, was aus Pitumi geworden war. Hatte sie den Angriff der Fremden überlebt? Er versuchte, nicht an den hinter ihm liegenden Schrecken zu denken, der so lebendig vor seinem inneren Auge stand: Die Fremden mit ihren Blitze schleudernden Waffen, die vierbeinigen Wesen, die sterbenden Chimú. Wer sollte diese Eindringlinge bezwingen können? Jatunaq. Der Gedanke an seinen Bruder war besonders schmerzhaft. Er war im Palast zurückgeblieben, um ihn zu retten. War er tot? War er gefangen? Was war mit den anderen Kriegern? War auch nur einer von ihnen entkommen? Oder war er der Einzige, und es war ganz allein an ihm, dem Hohepriester die schlechte Nachricht zu überbringen?
Er lief, bis er den Fluss erreichte, schwamm hinüber und lief weiter. Er hielt sich etwas abseits der Straße, was ihm aber bald lächerlich vorkam. Das Gelände war eine weite Wüste, mit Sand, so hart gebacken wie Stein, und die wenigen schütteren Sträucher, die hier irgendwie überlebten, waren viel zu armselig, um ihn vor den Blicken der Drachen zu verbergen. Er hatte seinen Wasserbeutel ebenso verloren wie sein Horn, obwohl er nicht sagen konnte, wann das geschehen war, aber das, so dachte er grimmig, war noch seine geringste Sorge. Wenn er erst einmal in Tikalaq war, würden die Priester sein Versagen bestrafen. Dennoch musste er sie warnen. Und vielleicht, so dachte er weiter, vielleicht überzeugen mein baldiger Tod und der Tod von Jatunaq unseren Bruder Qupay, dass der Segen Intis doch nicht
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