Drachensturm
beiden Männern nachjagte. Sein Reiter zog etwas aus dem Gürtel, richtete es nach vorn, und wieder knallte und blitzte es. Einer der beiden Chimú schrie auf, taumelte zu Boden und hielt sich die Seite, wo sich sein graues Gewand rot verfärbte. Der andere rannte weiter. Das vierbeinige Wesen hatte angehalten, aber nun setzte es sich wieder in Bewegung, und sein Reiter zog eine lange, glänzende Waffe aus dem Gürtel und hieb damit auf den Verwundeten ein, der zu Boden stürzte. Der Reiter jubelte, und dann verfolgte er den anderen Chimú.
» Was geschieht hier nur, was geschieht hier nur«, stammelte eine Frauenstimme neben Kemaq. Er erschrak und fuhr herum. Es war eine ältere Frau mit grauem Haar, die ungläubig den Fremden anstarrte, während er auf seinem Reittier schnell den zweiten Flüchtling erreichte. Dieser warf sich wimmernd zu Boden, und der Fremde schrie ihn zornig an. Es geschah keine dreißig Schritte von Kemaq entfernt.
» Komm von der Straße, Mütterchen«, rief er und drängte die Frau in eine verlassene Hütte. Sie war offenbar viel zu verstört, um sich zu wehren. Sie drückten sich an die Wand, und Kemaq hielt das Kind eng an sich gepresst, damit es nicht anfing zu weinen, als sich draußen die seltsamen Schritte des vierbeinigen Wesens näherten. Aber dann rief der Fremde etwas, und Kemaq hörte, wie das Wesen wendete und davoneilte. Bald wurden die lauten Schritte des Wesens vom Lärm der Stadt verschluckt. Kemaq atmete auf. Die Frau neben ihm wirkte völlig verstört.
» Kennst du dieses Kind?«, fragte er sie.
Sie starrte ihn verständnislos an.
» Ich habe es allein auf der Straße gefunden. Kannst du es zu Vater und Mutter zurückbringen?«
Immer noch wirkte die Frau völlig abwesend. Seufzend nahm Kemaq das Mädchen und drückte es der Frau in die Arme. Sie war verdattert, aber dann griff das Kind nach ihr, und sie lächelte plötzlich. Als Kemaq kurz darauf die Hütte verlassen wollte, fragte sie: » Willst du dich nicht verabschieden?«
Er drehte sich um. Das Mädchen hielt die kurzen Arme nach ihm ausgestreckt. Er strich ihm etwas verlegen übers Haar, nickte und lächelte den beiden zu, dann drehte er sich um und verließ die Hütte. Ein Rauschen erfüllte die Luft. Erschrocken sprang er zurück. Über ihm zog ein Ankay Yaya seine Bahn. Es war der bläuliche, den er schon auf dem Tempel und dann auf dem Platz gesehen hatte. Auf seinem Rücken saßen zwei Fremde. Kemaq wartete, bis sie weit genug weg waren. Dann rannte er los. Die Häuser hier waren zum größten Teil verlassen. Der Stadtrand konnte nicht mehr weit sein. Er drehte sich um. Viele der fremden Götter waren in der Luft. Sie umkreisten eine Festung, die in Flammen stand. Er wandte den Blick ab und lief weiter. Hinter ihm lagen Tod und Verderben, und er musste sich beeilen, wenn er verhindern wollte, dass die Krieger aus Tikalaq das gleiche Schicksal wie die Menschen von Chan Chan erlitten.
Nach und nach landeten die Drachen auf dem großen Platz der Mondfestung. Der Widerstand der Indios war zusammengebrochen und ihre letzte Zitadelle genommen. Die Konquistadoren waren noch in der Stadt, und Mila hatte eine ungefähre Ahnung davon, was sie dort taten. Balian von Wolfegg schien bester Laune zu sein: » Macht nicht solch lange Gesichter, Ihr Herren«, rief er vergnügt. » Ein großer Sieg, und Behemoth und ich hatten unseren Anteil daran.«
» Das wird die Pizarros freuen«, meinte Sir William trocken.
» Pah, Ihr seid nur neidisch, weil es nicht Euer Schamasch war, dem es gelang, das Tor einzunehmen.«
» Es einzunehmen? Mir schien, es ist unter dem Gewicht Eures Drachen zusammengebrochen, Bruder Balian«, meinte der Engländer kühl und kümmerte sich um das Geschirr seines Drachen. Mila hörte, wie er die Verschlüsse der Riemen öffnete. Balian schnaubte wütend, rief einem der Waffenknechte den Befehl zu, Behemoth abzuschirren, und verschwand.
Mila machte sich nun ebenfalls daran, mit Dietmars Hilfe Nabu das Geschirr abzunehmen. Dann hörte sie, wie jemand nach ihr rief.
» Es ist einer Eurer Leibwächter, Comtesse«, sagte Dietmar.
Es war wirklich Felipe – er kam, weil der Alchemist um ihre Anwesenheit in seinem neuen Laboratorium bat.
Nabu knurrte missbilligend. » Ich kann dich nur noch einmal warnen, Prinzessin. Traue diesem Menschen nicht.«
» Ich danke dir für deine Fürsorge, Nabu, aber seine Einladung erscheint mir nicht sehr gefährlich«, erwiderte Mila, und an Felipe gewandt fuhr sie
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