Drachensturm
sich die Indios dort offenbar stark genug für einen Angriff. Eine große Schar löste sich vom gleißenden Ufer und stürmte über das Feld auf die schwarze Reihe der Konquistadoren zu, über der, seltsam unpassend, helle faserige Wolken aufstiegen. Mila hielt gebannt den Atem an. Ein Horn ertönte. Jetzt brachen die Reiter aus ihrem Versteck hinter dem alten Tempel hervor wie finstere Stichflammen und fielen dem Feind in die Flanke. Das Bild wurde undeutlicher, aber Mila erkannte, dass der Angriff der Indios stockte. Zwei starke Blitze, gefolgt von doppeltem Donner aus Kanonenrohren, verwandelten das Zögern in Flucht. Die dunkle, geschlossene Masse der Indios wich, flutete zurück in den Fluss, löste sich dort auf und floh, zersprengt in viele einzelne flackernde Punkte. Die Reiter waren hinter ihnen. Ein Horn erklang, und ein Drache brüllte. Das Bild verschwamm und war jäh ganz verschwunden. » Aber Nabu, was ist?«, stieß Mila hervor.
» Die Indios, sie fliehen!«, rief Felipe, der die Frage falsch verstanden hatte.
» Unser Signal«, knurrte Nabu und stürzte sich hinab.
Das Heer wankte, taumelte wie ein einziges großes Tier unter schweren Schlägen. Kemaq hörte das Knallen und Donnern, und dann sah er die Fremden auf ihren vierbeinigen Tieren, die auf der anderen Seite des Flusses über die Krieger kamen und mit langen blitzenden Klingen auf sie einhieben. Er hörte die verzweifelten Schreie und wusste, dass sich dort vorne alles in wilde Flucht aufgelöst hatte. Die hinteren Scharen standen aber noch, und die Hauptleute brüllten ihre Männer an, dass sie nur ja stehen bleiben sollten. Aber die Reihen schwankten, denn flüchtende Männer drängten zwischen ihnen hindurch, auf der verzweifelten Suche nach Rettung, und ihre Angst steckte die anderen an. Dann schäumte das Wasser auf, als die Fremden mit ihren großen Wesen hineinsprangen und den Unglücklichen dort gnadenlos nachsetzten. Ein Horn erklang, aber es war kein Muschelhorn. Kemaq sah sich um. War es ein Zeichen der Fremden?
Ein Mann taumelte auf ihn zu, ohne Waffe, an der Seite blutend. Kemaq dachte, dass er den Verwundeten auffangen müsste, aber dieser blieb plötzlich stehen, seine Augen weiteten sich vor Schreck. Als Kemaq seinem Blick folgte, erkannte er entsetzt, dass die fliegenden Götter doch nicht vorhatten, sich der Schlacht fernzuhalten. » Die Götter kommen!«, rief einer, ein anderer stimmte ein. Die Krieger, die noch das Flussufer zu verteidigen suchten, hörten es, drehten sich um, sahen das Verhängnis auf sie herabstoßen, und dann gab es kein Halten mehr: Sie warfen die Waffen weg und flohen, während die Drachen tief über die Ebene zogen und brüllten. Kemaq sah die fliegenden Götter und ihre Reiter, und er sah die anderen Fremden auf ihren schnellen, schrecklichen Wesen. Alles war verloren.
Dann entdeckte er plötzlich Qupay, den er im Getümmel schon länger nicht mehr gesehen hatte. Er stand dort wie angewurzelt und machte keinerlei Anstalten zu fliehen. Kemaq rannte zu seinem Bruder, packte ihn an der Schulter und rief: » Lauf!« Qupay starrte ihn verwirrt an, aber dann liefen sie. Rings um sie herum versank die Welt in Tod und Verderben. Die fliegenden Götter trieben hilflose Krieger über die Ebene, und gelegentlich ließen sie ihren Feueratem auf die Unglücklichen herabfallen, und anders als Huaxamac es gesagt hatte, beschützte Inti seine Krieger nicht. Kemaq sah tote und brennende Krieger, und er sah einige hell gekleidete Männer fliehen, unter denen er den Hohepriester erkannte, der ebenso davonrannte wie sein ganzes Heer.
Da hörte er schwere, schnelle Tritte rasch näher kommen. Er warf einen Blick über die Schulter. Einer der Fremden hatte es auf sie abgesehen! Der Krieger schwang seine blitzende Klinge und trieb das Tier, das ihn trug, zu noch mehr Schnelligkeit an. Es lief schneller als Kemaq, der schnellste Läufer aus Tikalaq, und es lief vor allem viel schneller als sein Bruder Qupay. Es war nur noch eine Frage von wenigen Augenblicken, dann würde der Fremde sie eingeholt haben und mit seiner furchtbaren Waffe töten. Plötzlich verdunkelte sich der Himmel, und einer der fliegenden Götter kreuzte mit markerschütterndem Gebrüll ihren Weg. Kemaq packte seinen Bruder und warf sich mit ihm zu Boden. Dann war der Drache schon wieder fort. Hinter ihnen ertönte ein unmenschlicher Schrei. Kemaq blickte zurück. Das vierbeinige Wesen hatte seinen Reiter abgeworfen und stob davon. Der Reiter lag im
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