Drachensturm
Staub der Wüste und rappelte sich mühsam auf. Kemaq starrte ihn an. Der Fremde griff nach seiner Klinge, die er verloren hatte.
» Weiter!«, schrie Qupay ängstlich.
» Zum Fluss!«, rief Kemaq. Und dann rannten sie wieder. Plötzlich sah Kemaq etwas Eigenartiges: Ein kurzes Stück flussabwärts erhob sich ein junger Fremder aus dem Schilf. Ganz allein war er dort, weitab von den anderen Fremden. Er hielt eines der Donnerrohre in der Hand und zielte. Kemaq verstand nicht viel von diesen Waffen, aber er sah doch, dass der Fremde die Waffe weder auf ihn noch auf Qupay richtete, nein, er hielt sie recht hoch, so als wollte er etwas treffen, das sich in der Luft befand.
» Was sollte denn das, Nabu?«, fragte Mila. Immer noch klang das Brüllen in ihren Ohren.
» Wäre es dir lieber, ich hätte sie mit Feuer in die Flucht geschlagen?«, fragte Nabu mürrisch. » Ich glaube, da tun Behemoth und Nergal schon mehr, als nötig wäre.«
» Ja, es ist genug, du hast Recht«, sagte Mila langsam.
» Es erstaunt mich immer wieder, wie leicht es den Menschen fällt, einander umzubringen«, knurrte Nabu.
» Den Drachen doch auch, wenigstens einigen«, erwiderte Mila und dachte an Nergal und Behemoth, die sie in der Ferne brüllen hörte.
» Aber schon sehr lange hat kein Drache mehr einen anderen getötet«, gab Nabu zurück.
» Sie laufen, Condesa, sie laufen wirklich alle davon«, unterbrach sie Felipe aufgeregt.
» Und Pizarros Reiter?«, fragte Mila.
» Verfolgen sie weiter. Sie müssen sich aber hüten, dass sie den Drachen nicht in die Quere kommen.«
Von weit oben tönte ein Horn über das Schlachtfeld.
» Der Hochmeister, Prinzessin. Er ist wohl der Meinung, dass es genug ist«, meinte Nabu.
» Der Meinung bin auch«, erwiderte Mila. Sie fühlte plötzlich eine große innere Leere. Die Aufregung, das, was Felipe das Schlachtfieber genannt hatte, war wie weggeblasen, und ein anderes Gefühl schien vom Schlachtfeld in ihr Gemüt kriechen zu wollen, ein Gefühl von Verzweiflung und Schmerz, das sich bleischwer über der Ebene ausbreitete. Sie fragte sich, ob es den Sehenden genauso erging. Schüsse knallten vom Flussufer herüber und rissen sie aus ihren Gedanken.
» Die Arkebusiere sind nun auch auf der anderen Seite, Condesa«, rief Felipe aufgekratzt. » Aber ich glaube nicht, dass sie noch viele Ziele finden werden. Die meisten Indios sind doch schon wei…« Er brach den Satz mit einem leisen Stöhnen ab. Wieder knatterten vereinzelt Büchsen.
» Felipe?«, fragte Mila.
Der junge Waffenknecht antwortete nicht, aber plötzlich sackte sein Kopf auf ihre Schulter.
» Felipe!«, schrie Mila entsetzt auf.
Der Fremde hatte seine Waffe mit Blitz und Donner abgefeuert und war wieder verschwunden. Qupay war erschrocken stehen geblieben, aber Kemaq zog ihn am Kragen weiter. Nur der Fluss konnte sie retten, das wusste Kemaq. Er zerrte seinen Bruder in den Schilfgürtel hinein und dann hinter einen Baum. Erst dort wagte er es, sich umzusehen. Ihm bot sich ein Bild des Schreckens. Die Fremden hatten in großer Zahl den Fluss überschritten, und einige von ihnen töteten die Krieger, die verwundet zurückgeblieben waren. Die vierbeinigen Wesen waren weit in der Ebene verstreut und jagten, halb verschluckt vom Staub, der die furchtbaren Einzelheiten gnädig verschleierte, den fliehenden Kriegern hinterher. Über der Ebene kreisten die fliegenden Götter. Die meisten schienen aufzusteigen, aber wenigstens zwei jagten immer noch feuerspeiend hinter den Männern aus Tikalaq her. Und dort, mitten in der Ebene, schickte sich einer an, mitten unter den Gefallenen zu landen. Der Drache hob den Kopf und ließ ein Brüllen hören. Aber es klang nicht böse, sondern eher klagend. Kemaq kniff die Augen zusammen. Zwei Reiter saßen auf diesem Drachen, und dem vorderen quoll langes goldenes Haar unter dem Helm hervor. Es war die blinde Fremde! Es sah beinahe so aus, als müsse sie sich um den zweiten Reiter kümmern, aber der Staub verhinderte, dass Kemaq das sicher erkennen konnte. Zwei weitere Drachen kamen aus dem Himmel herab und schienen neben dem ersten landen zu wollen.
Qupay schüttelte Kemaq an der Schulter. » Sie kommen hierher«, flüsterte er aufgeregt. » Wir müssen weiter.«
Kemaq wollte widersprechen, denn ihm schien, dass die Ankay Yayakuna keineswegs zu ihnen kommen würden, aber dann sah er, dass die fremden Krieger entlang dem Fluss ausschwärmten und begannen, auch das Schilf zu durchsuchen. Den jungen
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