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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Morgendämmerung. Jemand rief etwas, und einige Männer antworteten. Für Kemaq klang es, als habe irgendetwas ihre Aufmerksamkeit erregt. Plötzlich schloss sich die Reihe fester, als erwarteten sie schon den Feind. Kemaq entdeckte einige Männer, die angestrengt in seine Richtung blickten. Sie hielten eigenartige Bogen in der Hand, kurz, mit einem breiten Schaft dort, wo sonst der Arm des Schützen war. Plötzlich begriff er, dass er entdeckt worden war. Ein lauter Befehl ertönte, dann zischten Pfeile durchs Schilf. Kemaq drehte sich um und hastete davon. Noch einmal zischte ein Pfeil dicht an ihm vorüber, dann sprang er schon ins Wasser und schwamm eilig hinüber. Hinter ihm wurden Befehle gerufen, aber es schien ihn niemand zu verfolgen. Ihm war sogar, als würde er Lachen hören. Er drehte sich um. Vom alten Tempel wehte weithin sichtbar die Fahne der Fremden. Es war eine Herausforderung. Er betete inständig, aber mit wenig Hoffnung, dass Huaxamac sie nicht annehmen würde.

6 . Tag

    Felipe meldete den Sonnenaufgang. Mila stand im Schatten von Nabu und lauschte auf die Geräusche des anbrechenden Morgens. Es schien ihr, als würde die klare Luft alle Laute besonders weit tragen. Da war zunächst der ruhige Atem von Nabu, der neben ihr lag und wie die anderen Drachen auch darauf wartete, dass sie doch noch in die Schlacht eingreifen würden. Sie hörte, wie Felipe versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken, und vernahm das leise Klirren der Ritterrüstungen ihrer Ordensbrüder, die an einer Felskante standen und über das diskutierten, was in der Ebene vor sich ging. Möwen waren in der Luft, und für Mila klangen ihre Schreie wie leise Klagen. Und schließlich drangen die Geräusche aus der Ebene herauf. Sie hörte die fernen Befehlsrufe auf Quechua und Spanisch und den Tritt vieler hundert Männer, die in den Kampf marschierten.
    Seufzend suchte Mila sich ihren Weg zurück zu den anderen Rittern und fand wieder den Platz an der Seite des einzigen maurischen Ritters des Ordens. Ein ungutes Gefühl beschlich sie, aber gleichzeitig war sie auch seltsam aufgeregt. » Wollt Ihr mir nicht beschreiben, was da vor sich geht, Don Mancebo?«, bat sie.
    » Ich kann es versuchen, Condesa. Die Indios entfalten ihre gesamte Streitmacht. Pizarro hat ihnen seinen Standort verraten, denn er hat die spanische Fahne auf jenem verfallenen Tempel gehisst, den ich schon erwähnt habe. Ich vermag aber nicht zu erklären, warum er das Moment der Überraschung aufgegeben hat. Immerhin muss der Feind aber durch den Fluss, wenn er die Spanier angreifen will, und das ist ein Vorteil. Ah, die Indios schicken einige Männer nach vorn. Wir sind zu weit entfernt, um Genaueres zu erkennen, aber ich denke, es werden Bogenschützen sein.« Der Maure schwieg einen Augenblick, dann sagte er: » Die Indios haben gemerkt, dass ihnen der Fluss im Weg ist, und sie richten ihre Truppen neu aus. Augenblick, nein, sie versuchen gar nicht, unsere Verbündeten zu umgehen, sondern ziehen ihre Linien jetzt dichter zusammen. Ich denke, das ist ein schlimmer Fehler.« Don Mancebo verstummte. Mila glaubte, Mitleid in seiner Stimme zu hören.
    Plötzlich schlug sich ganz in der Nähe jemand mit der gepanzerten Faust auf die Brust und rief: » Herr im Himmel!« Es war der Hochmeister, der fortfuhr: » Ihr Herren, mögen die da unten befehlen, was sie wollen, begebt Euch zu Euren Drachen. Wir sollten doch wenigstens in der Nähe sein, wenn es losgeht.«
    Dieser Befehl wurde mit einer Mischung aus Erleichterung und Jubel aufgenommen, und die Ritter eilten davon. Mila folgte etwas langsamer, geführt von Felipe, denn der Boden war tückisch. Ihr Großonkel erwartete sie auf halbem Wege. Er legte ihr die Hand auf die Schulter. » Was immer dort unten auch geschehen mag, Mila, ich will nicht, dass ihr landet und euch auf einen Kampf Mann gegen Mann einlasst. Felipe soll seine Armbrust nutzen.«
    » Aber Onkel, ich bin eine Ritterschwester dieses Ordens«, widersprach Mila.
    » Es tut mir leid, Milena, aber Balian hat Recht. Eine Blinde hat auf einem Schlachtfeld nichts zu suchen. Und jetzt los, möge unser Herr dir beistehen.«
    Mila nickte ergeben und versprach dem Hochmeister seufzend, sich zurückzuhalten. Sie war ganz und gar nicht versessen auf diesen Kampf, aber sie wollte auch keine Sonderbehandlung. Schon hörte sie die ersten Drachen mit zufriedenem Knurren aufsteigen. Sie war sich nicht sicher, ob sie begierig auf den Kampf waren, aber es war

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