Drachensturm
Fremden sah er jedoch nicht unter ihnen. Er blickte noch einmal zurück zu den drei Göttern in der staubigen Ebene, aber dann folgte er seinem Bruder. Dieser warf seinen Priestermantel ab, den Helm hatte er schon lange verloren, und sie durchschwammen den Fluss und schlichen schnell stromaufwärts davon. Ein paar Drosseln flogen schimpfend auf. Kemaq blieb stehen und blickte noch einmal zurück. Der Schilfgürtel schimmerte in freundlichem Grün, und leichter Wind rauschte in den Halmen. Es sah beinahe so aus, als sei hier gar nichts geschehen. Doch dann hob drüben, in der Ebene, der bläuliche Gott wieder seinen Kopf und brüllte, dass es Kemaq bis ins Mark erschütterte. Es klang, als wollte er all die Toten dieser furchtbaren Schlacht beklagen.
Mila stand fassungslos neben Nabu und hielt sich an seinem Hals fest. Die Geräusche der Schlacht verebbten, und sie hörte, wie Marschall di Collalto Felipe von Nabus Rücken hob und vorsichtig auf den Boden legte. Don Mancebo half ihm. Nabu brüllte noch einmal den Himmel an, und danach war es für einen Augenblick unwirklich still. Der Conte di Collalto erhob sich wieder und sagte: » Es tut mir leid, Comtesse, aber wir können nichts mehr für ihn tun.«
» Das war kein Pfeil, Conte Lorenzo«, stellte Don Mancebo fest.
Der Marschall schwieg.
» Kein Pfeil? Seid Ihr sicher?«, fragte Mila, was, wie sie wusste, eine ziemlich unsinnige Frage war. Die Leere in ihr verhinderte, dass sie in Tränen ausbrach. Eben noch hatte sie Felipe hinter sich gespürt, seine Aufregung wegen der Schlacht. Die ganze Zeit hatte er die Armbrust in der Hand gehalten und doch keinen einzigen Bolzen verschossen. Und jetzt sollte er tot sein?
» Eine verirrte Kugel«, bestätigte der Marschall düster.
Ein weiterer Drache landete, und Mila erkannte an seinem Schnauben, dass es Marduk war.
» Ist dir etwas geschehen, Mila?«, rief der Hochmeister, noch bevor sein Drache den Boden erreicht hatte.
Sie schüttelte stumm den Kopf.
» Einer der Arkebusiere hat wohl schlecht gezielt, Graf Maximilian«, erklärte der Marschall. » Der Junge trug leider nur einen Halbkürass, und die Kugel traf ihn in der Seite, eine Handbreit hinter dem Eisen.«
» Der Schütze muss außerordentlich schlechte Augen haben, wenn er auf einen Indio am Boden zielt und einen Drachenreiter in der Luft trifft«, warf Marduk düster ein.
Mila erfasste nur langsam, was das bedeutete. Aber dann fragte sie in die betretene Stille hinein: » Heißt das etwa, das war kein Unglück?«
» Gemach, Comtesse«, meinte der Marschall, » eine Arkebuse ist eine furchtbar ungenaue Waffe. Tödlich zwar, aber man braucht schon Glück, wenn man aus dreißig Schritt ein einzelnes Ziel treffen will. Einen vorbeifliegenden Reiter von der Seite zu treffen, ist mit so einer Waffe unmöglich. Nein, nur der Teufel selbst oder der blinde Zufall können sie so folgenschwer gelenkt haben.«
» Dennoch werden wir mit Pizarro reden«, erklärte der Hochmeister grimmig. » Ich will wissen, wer für diesen verhängnisvollen Schuss verantwortlich ist, und er soll mir erklären, warum seine Arkebusiere so leichtsinnig mit dem Leben unserer Ritter spielen. Und ich will, dass meine Nichte einen Harnisch erhält, den besten, den Ihr auftreiben könnt!«
» Inti hat uns verlassen«, sagte der Yunga. Er gehörte zu den Kriegern, die Kemaq und Qupay auf ihrer Flucht am Fluss getroffen hatten.
» Du bist nicht einmal verwundet, Mann«, gab Qupay wütend zurück, » wie kannst du da sagen, dass Inti dich nicht beschützt hat?«
Der Yunga sah Qupay kopfschüttelnd an. » Viele aus meiner Gemeinschaft werden nie mehr nach Tikalaq zurückkehren, und ich werde vielen Witwen erklären müssen, warum ich noch lebe, ihre Männer aber gefallen sind.«
» Vielleicht war euer Glaube nicht stark genug«, entgegnete Qupay.
Der Yunga blieb zu Kemaqs Erstaunen sehr ruhig und erwiderte: » Ich kenne dich, Priester, du warst bis vor Kurzem nur ein sehr unbedeutender Diener des Sonnengottes, denn du bist kein Sonnenmann, sondern ein Marachuna, ein Mann des Steinvolkes, und für deinesgleichen ist es schwer, in der Gunst Intis aufzusteigen.«
» Gleichwohl ist es mir gelungen, denn wir sind alle Intis Kinder«, erwiderte Qupay trotzig.
» Aber Pachakamaq hat die Welt erschaffen, nicht Inti«, gab der Yunga zurück.
» Was willst du damit sagen, Mann?«, fragte Qupay zornig. » Bedenke deine Worte, denn Inti wird sie wohl hören.«
» So beruhigt euch doch, ihr
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