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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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offensichtlich, dass sie nur ungern untätig und abseits des Geschehens blieben. Sie kletterte auf Nabus Rücken und wartete, bis Felipe Platz genommen hatte. Eine seltsame, fiebrige Erregung packte sie. » Auf, Nabu!«, rief sie, und er war schon in der Luft, bevor sie es ganz ausgesprochen hatte.
    Die Krieger rückten weiter vor. Linkerhand sah Kemaq das niedergebrannte Botenhaus am Fluss. Sie waren also etwa dort, wo er Pitumi zum ersten Mal begegnet war. Nachdem er und die anderen Späher dem Hohepriester von der Aufstellung der Fremden berichtet hatten, wurde das ganze Heer neu ausgerichtet, und die Hauptleute hatten viel zu tun. Dann brachte Huaxamac Inti ein Opfer und dankte ihm dafür, dass er die falschen Götter vom Himmel vertrieben hatte. Tatsächlich hatte Kemaq bislang vergeblich nach den Ankay Yayakuna Ausschau gehalten. Sollte der Hohepriester tatsächlich Recht behalten, und die fliegenden Götter wichen vor Intis Macht? Kemaq wagte es kaum zu hoffen. Er streckte sich, um zu sehen, was weiter vorn vorging. Er nahm an, dass die Bogenschützen und Steinschleuderer inzwischen den Fluss erreicht haben mussten, aber die dichten Reihen der schwerer bewaffneten Krieger versperrten ihm die Sicht. Nur die Fahne der Fremden konnte er sehen, die sich im Morgenlicht gelb und blutrot bauschte. Mit quälender Langsamkeit rückten die Krieger vor. Kemaq wusste, dass es der Fluss war, der die Männer aufhielt. Es schien ihm, als habe der Feind seine Stellung gut gewählt.
    » Dies wird ein großer Tag für uns werden, kleiner Bruder«, flüsterte Qupay aufgeregt neben ihm. Sein gelbes Priestergewand war immer noch über der Schulter eingerissen, was Kemaq ein schlechtes Omen zu sein schien. Er nickte Qupay dennoch zu. Dass es bisher so gut ging, hatte seine Zweifel beinahe zerstreut. Sie waren so viele, und die dort drüben so wenige. Und sie waren sicher nicht unverwundbar, denn warum sollten sie sonst solch schwere Rüstungen tragen? Sollte er sich also geirrt haben? » Ich hoffe es für uns – und für Jatunaq«, erwiderte er.
    Qupay nickte. » Für Jatunaq!« Dann drückte er ihm die Hand und eilte zurück an die Seite des Hohepriesters. Er musste wirklich sehr in der Gunst Huaxamacs gestiegen sein. Kemaq vertrieb diesen flüchtigen Gedanken und spähte nach vorn. Waren die Krieger denn immer noch nicht über den Fluss? Doch – da! Ein breit gefächerter Schwarm von Pfeilen stieg auf. Dann ein zweiter. Es blieb auf der anderen Seite gespenstisch ruhig, und noch immer war von den fliegenden Göttern nichts zu sehen. Dann geschah sehr viel beinahe gleichzeitig. Viele Männer wurden wie von einer unsichtbaren Faust zur Seite geschleudert, und dann rollte tiefer Donner über die Ebene, noch einmal und dann ein drittes Mal. Der dritte Donner ging über in ein furchtbares helles Knattern, und dann schrien diejenigen, die Blitz und Donner zum Opfer gefallen waren, und jenseits des Flusses stiegen schmutzig weiße Wolken in den zartblauen Morgenhimmel. Ungläubig schaute Kemaq auf die Krieger, die sich am Boden wälzten oder auch gar nicht mehr rührten. Irgendetwas hatte blutige Schneisen durch ihre Reihen geschlagen.
    Der Donner der Kanonen hatte die trügerische Stille nun also doch endlich zerrissen, und jetzt krachten die Arkebusen. Mila klammerte sich eng an Nabus Hals. Plötzlich tauchte ein Licht in der Finsternis auf, eine kleine, blasse Flamme.
    » Verstehst du, damit umzugehen?«, rief Nabu.
    Mila begriff, dass er bereit war, ihr mehr zu zeigen, aber nicht wollte, dass Felipe etwas merkte. » Ja, ich kann es«, antwortete sie.
    Das Licht flackerte, sprang auseinander und formte sich zu einem fahlen Gemälde. Da war die Stadt, die Ebene, mittendrin der Fluss, ein helles Band, durchbrochen jetzt durch etwas Dunkles. Mila brauchte einen Augenblick, um in diesem verschwommenen Flackern zu erkennen, dass es Menschen waren, die dicht gedrängt den Fluss durchquerten.
    » So geh doch tiefer, Nabu!«, rief sie.
    Das Bild rückte näher. Die Linie der Konquistadoren tauchte auf, angelehnt an einen Hügel, nein, eine verfallene Pyramide. Ihnen gegenüber, dicht am Ufer, hatte sich eine zweite Linie gebildet, der Feind, der weder wich noch angriff. Kleine helle Blitze zuckten aus der Reihe der Spanier, und Mila begriff, dass sie das Mündungsfeuer ihrer Arkebusen sah, das Lücken in die dicht gedrängte Masse am Fluss riss. Aber immer mehr dunkle Flammenleiber kamen über das helle Band des Flusses, und jetzt fühlten

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